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Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
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Kind könnte von dieser Berührung aufwachen. Aber Poppy rührte sich nicht mehr. Wie ihre Mutter.
    Sie steckte sich die Faust in den Mund, um nicht zu schreien. Abrupt stand sie auf.
    »Die Nerven dicht unter der Haut sind die empfindlichsten«, hörte sie Gaby sagen. »Aber natürlich weißt du das.«
    Nein, wollte Madrone schreien. Ich weiß nichts darüber. Ich weiß nichts von Foltermethoden, nichts über den Tod.
    »Wir sollten hier innerhalb einer Stunde verschwinden, vorsichtshalber. Du hast also genügend Zeit, um alles gut zu machen.«
    »Vielleicht möchtest du, daß einer von unseren Boys ihn zuerst vergewaltigt?« schlug Gaby vor.
    Fast hätte Madrone ja gesagt, nur um Zeit zu gewinnen. Der Mann auf dem Boden gurgelte. Der Knebel schnitt ihm die Luft ab. Der Gestank von Kot und Urin verstärkte sich noch. Madrone wunderte sich erneut, daß der Ausdruck seiner Augen fast derselbe war, wie bei ihrer toten Mutter. Sie konnte einfach ein Messer nehmen und diese Augen für immer schließen. Dann brauchte sie diese Laute der Angst und des Schmerzes nicht mehr zu hören, und den Gestank nicht mehr zu riechen. Aber das war sinnlos, so sinnlos. So sinnlos...
    »Du verstehst mich nicht«, sagte sie, »ich möchte ihn nicht töten. Ich habe noch nie jemanden getötet.«
    »Es macht Spaß«, versicherte Raffael fast eifrig, »es wird dir Spaß machen.«
    »Nein, ich kann nicht. Nein.«
    Nein, ich will mich nicht mehr daran erinnern. All die Jahre hab' ich das Bild meiner toten Mutter tief in mir vergraben. Ich möchte mich nur an ihr Gesicht erinnern, und sehe doch immer wieder nur ihr totes, blutverschmiertes Gesicht und die schrecklichen starren Augen.
    Raffael lachte.
    »Wenn du ihn am Leben läßt, wird er sich noch mehr Poppys kaufen. Und sie töten«, sagte Gaby, »und er wird dich verraten. Er wird dich wiedererkennen.«
    Tote Augen, wie Poppys Augen. Wie die Augen von diesem Mann, die vor Angst so starr sind, als sei er schon tot. Glasige, blinde Augen in einem kalten Gesicht. Eigentlich war sein Tod nur fair, denn seine Augen hatten dem zugesehen, was seine Hände mit Poppy gemacht hatten. Nein, sie mußte aufhören, darüber nachzudenken.
    »Wenn es schon sein muß, dann tu du es«, hörte Madrone sich mit fremder Stimme sagen, »aber schnell und sauber. Zieh' es nicht in die Länge.«
    »Warum denn nicht«, wunderte sich Raffael, »das ist doch gerade der Spaß daran.«
    »Es ist genau das, was er bei Poppy gemacht hat«, warf Michael ein, »würdest du mir bitte mal erklären, wie diese Wunden entstanden sind?«
    »Nein«, sagte Madrone schnell.
    »Sie möchte lieber nichts davon wissen«, sagte Raffael höhnisch und mit bösem Unterton, »sie möchte saubere Hände behalten.« Er wandte sich an Madrone: »Ich weiß, was du denkst. Du denkst genau dasselbe wie andere: Laß die Drecksarbeit die Angels machen. Die sind schon mit Blut unter den Fingernägeln geboren.«
    Aber ich weiß jetzt zu viel, dachte Madrone. Das ist es, was mich fast umbringt. Das ist es, warum ich diesen Mann gern töten würde. Ich möchte ihn zahlen lassen, für das, was er getan hat. Poppy angetan hat. Er soll zahlen, für das, was alle diese Mörder, Vergewaltigter, Folterer und Menschenschinder getan haben. Diosa, Coatlicue, soll ich zu deinem Instrument werden und die Welt für dich säubern?«
    »Du wolltest doch diesen Überfall«, sagte Gaby.
    Ich nehme das Heilige Todesmesser. Aber wenn mich der Zorn packt, wenn ich erst Blut geschmeckt habe, was wird geschehen? Wie werde ich jemals zurückfinden aus dem blutigen Sumpf der Rache?
    Denke, denke, denk' nach, Mädchen! Benutze deinen Verstand. Erde dich. Vergiß nicht, wer du bist und wer du sein möchtest.
    Madrone seufzte tief auf.
    »Poppy ist tot«, sagte sie, »wenn wir ihn töten, macht sie das nicht wieder lebendig.«
    Etwas Müll weniger auf dieser schmutzigen Welt«, lächelte Gaby ihr zu. »Wenn du es nicht tun willst, willst du mir dann vielleicht zusehen? Es heißt, daß ich ein gutes Händchen dafür habe. Noch besser bin ich mit dem Messer.«
    »Ich sage, tut es nicht«, stöhnte Madrone, sie rang nach Atem, ihre Worte kamen abgehackt. »Nicht foltern, seinen Tod nicht hinauszögern. Vielleicht macht es euch Spaß, aber es macht die Sache nicht gerechter.«
    »Kümmere dich nicht um Gerechtigkeit«, meinte Gaby, »willst du denn keine Rache?«
    »Doch«, Madrone schrie es fast, »ich könnte ihm das Herz bei lebendigem Leib herausschneiden. Aber Folter ist zu

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