Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
Vom Netzwerk:
über den grünen Rasen. Die Steinmauer rundherum war mit einem Elektrozaum gesichert. Die Alarmanlage war eines Staatsoberhauptes würdig. Bei Überfällen, das hatte Madrone inzwischen erkannt, waren die Angels nicht so raffiniert wie die Hill-Boys. Doch was ihnen dabei an Finesse fehlte, machten sie durch Brutalität und Kühnheit wieder wett.
    Als die Nachricht kam, daß Stebner sich ein blondes Angel-Kind gekauft hatte, waren sie sofort aufgebrochen. Ein anstrengender Marsch durch zerstörte Vororte und über zerbombte Straßen begann. Sie kamen kurz vor Morgengrauen an. Sie waren außerhalb der Sperrstunde unterwegs, doch Rafe erschoß jeden Wachmann, der sich ihnen in den Weg stellte.
    Um die elektrische Alarmanlage lahmzulegen, warf Michael eine lebende Katze in den elektrischen Zaun. Die Katze schrie, zappelte und verbrannte. Ein Wächter kam, um nachzusehen. Kaum hatte er die Alarmanlage ausgeschaltet, erschoß Rafe ihn.
    »Warte hier, bis wir dich rufen«, sagte Michael, »wenn wir nicht wieder herauskommen, dann sieh zu, wie du zurück in die Berge kommst.«
    Madrone war froh, zurückbleiben zu können. Die Angels jagten ihr noch mehr Angst ein, als die Stewards oder jeder gewöhnliche Soldat. Unfaßbar, wie die Angels töteten, so ruhig, so kalt, so beiläufig. Madrone versteckte sich zwischen Mauer und Gebüsch. Okay, dachte sie, ich bin sicher eine Heuchlerin. Ich will Poppy retten, die Gewalt, die dabei angewendet wird, will ich nicht wahrhaben. Dabei ist es diese Gewalt, die mir das Leben gerettet hat. Aber wenn schon getötet werden mußte, dann wollte sie nicht zusehen. Dann, so redete sie sich ein, hatte sie keinen Anteil daran.
    Schüsse. Danach war alles wieder still. Dann pfiff Gaby und rief leise ihren Namen.
    »Komm rüber. Alles okay.«
    Madrone zog sich an der Mauer hoch. Die rauhen Steine zerschrammten ihr Hände und Füße. Sie sprang hinunter und landete in der Hocke.
    »Komm«, sagte Gaby. Ihr Gesicht war eiskalt. Madrone schauderte.
    Die Wohnhalle in dem Landhaus war riesig. Weiße Teppiche. Riesige Fenster, die auf den Ozean hinaus blickten. Draußen schimmerte der Himmel rosa und golden im Nebel des Frühlichts. Raffael wirkte in dem großen Raum klein und verloren. Er beugte sich über irgend etwas am Boden und sah auf, als Madrone sich näherte.
    »Er gehört dir, Madrone«, sagte Raffael.
    Zu seinen Füßen lag ein Mann, gefesselt, nackt, einen Knebel im Mund, mit entsetzten Augen, die nervös von einem zum anderen blickten. Er hatte Todesangst. Es stank nach Kot, Urin, Blut und Schweiß. Und nach Erbrochenem.
    Poppy lag ein paar Schritte weiter auf dem Boden, so seltsam zusammengekrümmt, daß Madrone unwillkürlich an eine zerbrochene Puppe dachte. Sie war tot.
    Madrone schwieg, zu geschockt, um irgendetwas zu sagen. Ihr Blick schweifte zum Fenster hinaus, wo das Morgenlicht schnell heller wurde und über die lang anrollenden Wogen des Ozeans tanzte.
    »Er gehört dir, Madrone«, wiederholte Raffael.
    »Was soll das heißen, er gehört mir?« fragte Madrone verwundert.
    »Um ihn zu töten«, lächelte Raffael, »nimm dir nur Zeit dafür. Genieße es.« Er erinnerte Madrone plötzlich an eine Katze, die sie als Kind sehr geliebt hatte. Die Katze hatte halbtote Mäuse als Geschenk angeschleppt. Sie hatte den gleichen Eifer gehabt zu gefallen. Madrone wurde übel.
    »Nein«, Madrone schüttelte sich, »nein, nicht. Ich möchte ihn nicht töten.«
    »Sieh dir Poppy an«, sagte Raffael nur, »sieh dir an, was er mit ihr gemacht hat. Dann änderst du deine Meinung.«
    Ich will sie nicht ansehen, dachte Madrone, der Anblick würde mich für den Rest meines Lebens verfolgen. Doch wohin sie auch blickte, überall sahen sie kalte Augen aus schönen, kalten Angels-Gesichtern an. Dies ist unser Leben, schienen diese Augen zu sagen. Wie willst du uns heilen, wenn du nicht hinschauen kannst?
    Sie zwang sich, neben dem kleinen Körper hinzuknien. Ihre Hand berührte den erkaltenden Körper. Blut war aus den Nasenlöchern gesickert und aus dem zerrissenen Fleisch zwischen ihren Schenkeln.
    Es waren noch andere Wunden da, die Madrone wohl sah, aber nicht verstehen wollte. Eine Erinnerung stieg in ihr hoch. Sie war ein kleines Mädchen und kniete neben einem blutigen, toten Frauenkörper. Nein, gerade daran wollte sie sich nicht erinnern. Ihre tote Mutter, nachdem die Männer mit ihr gemacht hatten, wozu sie Lust hatten. Sie stöhnte. Vorsichtig streichelte sie Poppys Gesicht, als hoffte sie, das

Weitere Kostenlose Bücher