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Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
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bei den Händen und tanzten den Spiral-Dance, den Schlangentanz, bei dem sich eine lange Menschenkette aufwindet und aus dem Zentrum heraus wieder entrollt. Wie die ständige Erneuerung der Generationen, dachte Maya, während sie an den Gesichtern ihrer Nachbarn und Freunde vorbeikam. Sie hatte das Gefühl, sie würde links und rechts von Rio und Johanna ergriffen.
    Blitze zuckten, Donner grollte, und der Regen prasselte wütend hernieder. Im Nu waren alle klatschnaß. Doch niemand machte sich etwas daraus. Sie lachten. Der Regen war da, zwar etwas früh im Jahr, aber sie hießen ihn willkommen. Jeder hoffte, daß es nicht bei diesem einen Gewitter bleiben würde. Wasser war wichtig, lebenswichtig, damit die verdorrten Hügel wieder grün wurden, damit die Zisternen sich füllten, damit die Pflanzen in den Gärten, das Obst auf den Bäumen und die Ernte auf den Feldern gedeihen konnten.
    Sie tanzten, bis sie völlig erschöpft waren. Und als sie heimgingen, wand sich die Spirale noch immer, und die hohe durchdringende Stimme des Lead-Sängers schickte ihnen die Worte der Litanei hinterher:

    Der Regen ist unsere Schwester,
    der Regen ist unsere Mutter,
    unser Vater, unser Bruder,
    unser süßer, oft vermißter Geliebter,
    Wenn du dich wieder einmal nach ihm sehnst
    und nach der Berührung zärtlicher Hände,
    so strecke sie aus in den Regen,
    halte dein Gesicht in den Regen
    und spüre, wie Liebe dich sanft überflutet...

Kapitel  9
    Bird schlief volle drei Tage. Er wachte nur auf, um ein paar Bissen hinunterzuwürgen oder um zur Toilette zu gehen. Dann stand er auf und stürzte sich auf die Arbeit. Er mußte ganz einfach Werkzeug in der Hand haben, einen Spaten etwa, um nach einigen Stunden besinnungsloser Schufterei zufrieden auf ein sauber umgegrabenes Stück Land blicken zu können. Er mußte ganz einfach das Gefühl haben, daß seine Hände noch zu etwas zu gebrauchen waren, wenn schon nicht zum Musik machen.
    Als nächstes nahm er sich das Dach vor, an dem Sandy gearbeitet hatte, als der Virus ihn buchstäblich überwältigte. Dachschindeln und Hammer lagen noch genauso da, wie sie hingefallen waren, als Sandy seinen Anfall hatte. Bird arbeitete beharrlich vor sich hin, mit dem merkwürdigen Gefühl, daß Sandy neben ihm saß und zufrieden den Fortgang der Reparatur beobachtete. Gleich würden sie miteinander scherzen, und dann ins Haus gehen. Eine Woge der Traurigkeit überflutete ihn. Sie waren so gute Freunde gewesen, gelegentlich auch Liebhaber, meist an ganz verrückten Orten und in seltsamen Momenten. So wie hier. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie Sandy ein Auge zukniff und sagte: »Hast du's jemals auf einem Dach versucht? Nein? Wollen wir?« Und nach einer schweißtreibenden Viertelstunde würden sie fröhlich pfeifend mit der Arbeit weitermachen. Irgendwann später würde jemand fragen, was das für merkwürdige Geräusche gewesen seien, die da vom Dach gekommen waren. Waren das liebestolle Kater gewesen? Sandy würde todernst geantwortet haben: »Richtig! Das war es.«
    Das waren so ihre kleinen Geheimnisse. Doch der Sandy seiner Erinnerung war immer achtzehn Jahre alt, so wie Bird sich dann immer wie neunzehn fühlte. Er hatte niemals seinen zwanzigsten Geburtstag gefeiert, ebenso wenig seinen neununzwanzigsten. Ihm kam es vor, als sei er erst vor einigen Wochen fortgegangen. Die Jahre dazwischen waren aus seinem Gedächtnis entschwunden, waren nie vorhanden gewesen. Doch so viel war inzwischen geschehen, so viel hatte sich verändert, daß er andererseits das Gefühl hatte, Jahrhunderte seien vergangen.
    Es war alles vernachlässigt worden, seit Sandys Tod. Bird reparierte den defekten Windgenerator und jätete Unkraut im Gemüsegarten. Er setzte die jungen Gemüsepflanzen aus dem Gewächshaus ins Freie und begoß den sprießenden Broccoli. Die Fische im großen Wassertank waren eingegangen. Bird ließ das Wasser ab und reinigte das Innere. Die vielen toten Fische stanken erbärmlich, es waren zuviele, um sie zu kompostieren. Er würde sie später verbrennen.
    »Danke«, hörte er Madrone sagen. »Der Fischtank war schon längst überfällig. Ich konnte es schon nicht mehr sehen. Bird, du suchst dir die schmutzigste und widerlichste Arbeit aus. Warum? Ich werde dir helfen, sobald ich in ein paar Tagen wieder zu Kräften gekommen bin.«
    Sie lagen noch im Bett und genossen die ersten frühen Sonnenstrahlen, die durchs Fenster hereinströmten. Bird stützte sich auf den Ellenbogen und zog mit

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