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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Die gesendeten Zeichen künden von der Bereitschaft, Inhalte zu prostituieren, und die Prostitution von Inhalten ist überhaupt erst der Weg, Zeichen auszusenden. Der Intellektuelle von heute kennt oft nicht einmal seinen potenziellen Auftraggeber. Er ist wie ein Blümelein, das auf dem Gehweg wächst und von dem man nicht weiß, wo seine Wurzeln die Säfte hernehmen, und der Blütenstaub weht über den Bildschirmrand hinaus. Mit dem Unterschied, dass ein Blümelein nicht denkt, während der Intellektuelle von heute annimmt, die Säfte gelangten zu ihm im Austausch gegen Blütenstaub, und komplizierte, schizophrene Kalkulationen darüber anstellt, wie beides korrekt gegeneinander aufzurechnen wäre. Diese Kalkulationen sind die wahren Wurzeln des Diskurses: Zottig, grau und feucht liegen sie in finsterer Pestilenz.
    Ein paar Tage später wusste ich dann schon mit dem Wort Kulturologe etwas anzufangen. Auch hier hatte ich zunächst falsch gelegen, was seine Bedeutung anging, und auf einen Mediziner getippt, der durch eingehende Studien des menschlichen urogenitalen Systems Kultstatus erlangte und mithin das Recht, auch zu geistigen Fragen gehört zu werden. Was mir nicht verwunderlich vorkam: Hatte es doch auch Professor Sacharow als Erfinder der Wasserstoffbombe zu humanitärer Autorität gebracht.
    Kurz, in meinem Kopf ging so einiges durcheinander. Aber ich fand das nicht weiter tragisch - früher hatte sich dort überhaupt nichts bewegt.
    Mit dem Glamour wurde es immer schwieriger und undurchschaubarer (ungefähr wie früher in der Schule mit der organischen Chemie). Manchmal kam ich mir vor wie ein totaler Flachkopf. Zum Beispiel konnte ich lange nichts mit dem Ausdruck vamposexuell anfangen - und das war ein Schlüsselbegriff in diesem Lehrgang. Baldur riet mir, ihn in Analogie zum Wort metrosexuell zu verstehen - und ich war gelinde erschüttert, als ich erfuhr, dass dieses gar nicht die Vorliebe für Sex in der Untergrundbahn meinte.
    Baldur erläuterte mir den Sinn des Wortes so: »Metrosexuell ist einer, der wie ein Schwuler herumläuft, ohne schwul zu sein. Das heißt, er könnte auch schwul sein, muss es aber nicht...«
    Das klang einigermaßen verzwickt, und ich bat Jehova um nähere Erläuterungen.
    »Metrosexualität«, erfuhr ich von ihm, »ist nur eine neuere Verpackung von Geltungskonsum.«
    »Hä?«, machte ich, entsann mich jedoch im selben Moment der Information aus einem kürzlich konsumierten Präparat. »Ach so, ich weiß: conspicuous consumption. Der Terminus wurde von Thorstein Veblen zu Beginn des vorigen Jahrhunderts eingeführt...«
    Ich konnte die nächste Glamour-Stunde kaum erwarten, um Baldur diese Erkenntnis unter die Nase zu reiben.
    »Mit was Jehova dir nur immer das Gehirn verkleistert?«, brummelte der missmutig. »Geltungskonsum. Damit kannst du vielleicht im Westen was beweisen. Bei uns in Russland musst du die Dinge beim Namen nennen. Ich habe dir doch schon erklärt, was ein Metrosexueller ist.«
    »Ich weiß. Wieso läuft der noch mal rum wie ein Schwuler?«
    »Na, ist doch klar: um seiner Umwelt zu signalisieren, dass er Geld scheißt.«
    »Ja, gut. Und vamposexuell, was soll das nun sein?«
    »Dein Ding. Du musst es ja werden. Da lässt sich nichts festlegen. Alles Intuition.«
    »Und wieso muss ich das?«
    »Um am Puls der Zeit zu bleiben.«
    »Und wenn sich rausstellt, dass der Puls der Zeit ganz woanders schlägt?«
    »Der Puls der Zeit«, sagte Baldur, »kann überall sein, weil die Zeit ja gar keinen Puls hat. Aber die Zeitungen haben Leitartikel. Und es genügt, dass ein paar Zeitungen behaupten, der Puls der Zeit schlüge da und da, dann sagt dir das am nächsten Tag jeder, einfach um mit der Zeit Schritt zu halten. Obwohl die auch keinen Schritt hat.«
    »Welcher normale Mensch glaubt denn, was in Leitartikeln steht?«
    »Normale Menschen, wo hast du die zum letzten Mal gesehen? Davon gibts im Land vielleicht noch hundert, und die hat der FSB in Watte gepackt. Alles nicht so einfach. Einerseits hat die Zeit weder Puls noch Schritt. Andererseits geben alle sich Mühe, am Puls der Zeit zu sein und mit ihr Schritt zu halten, darum updatet das Kartell sein Weltmodell regelmäßig. So dass die Leute sich plötzlich alberne Bärtchen stehen lassen oder Seidenkrawatten um den Hals schlingen, nur damit man sie nicht aus dem Büro jagt. Und Vampire müssen an diesem Prozess wohl oder übel teilhaben, um im Milieu aufzugehen.«
    »So weiß ich aber immer noch nicht, wäs

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