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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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vamposexuell ist.«
    Baldur nahm ein Gläschen vom Tisch, das da noch von der letzten Diskursstunde herumlag (Dt. klass. Philos., Abfüll. Phil.Fak. Uni , sagte der Aufkleber), schüttelte sich den letzten verbliebenen Tropfen auf den Gaumen und schmeckte.
    »Erinnerst du dich an die elfte Feuerbachthese?«, fragte er mit gerunzelter Stirn.
    »Von wem?«
    »Dumme Frage. Von Karl Marx natürlich.«
    Ich strengte mein Gedächtnis an.
    »Moment, wie ging das ... Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern.«
    »Genau so ist es. Dir obliegt nicht zu wissen, was vamposexuell ist, Rama. Du sollst es nur werden.«
    Natürlich hatte Baldur recht. Die Theorie besagte in derlei Dingen nicht viel. Doch der Glamourlehrgang beschränkte sich nicht auf Theorie. Mir war »Umzugsgeld« ausgehändigt worden: ein schwerer, in Plastik eingeschweißter Packen Tausendrubelscheine und eine Visa Card, mit der ich über die - für mich schwindelerregende - Summe von einhunderttausend Dollar verfügen konnte. Eine Abrechnung erwartete keiner von mir.
    »Übe dich!«, sagte Baldur. »Wenn es alle ist, sag Bescheid. «
    Spätestens hier verfestigte sich in mir der Gedanke, dass das Vampirdasein eine solide und ernsthafte Angelegenheit war.
    Für einen Vampir gab es zwei Orte, um sich standesgemäß einzukleiden und mit dem sonst Notwendigen zu versehen: das LovemarX an der Ploschtschad Wosstanija und die Ladenpassage Archetypique boutique, Posharski Projesd.
    Geschäften, Restaurants oder gar russisch geschriebenen Romanen fremdsprachige Namen zu geben ist, nebenbei gesagt, eines der vulgärsten Kennzeichen unserer Zeit und mir seit Längerem ein Dorn im Auge. So als wollte man damit sagen: Wir gehören nicht dazu, wir sind hip, offshore, eurosaniert. Solches Gebaren rief in mir schon lange nur noch Übelkeit hervor. Aber die Schriftzüge LovemarX und Archetypique boutique hatte ich unterdessen schon so oft gesehen, dass die Gereiztheit verflogen war und die Stunde der Analyse schlug.
    Aus dem Theoriekurs wusste ich, dass der Glamour mit dem Wort lovemarks Waren zu bezeichnen pflegt, die dem Menschen ans Herz gewachsen sind und die er gar nicht mehr losgelöst von seiner Person zu betrachten vermag, sie sind für ihn das Rückgrat seiner Persönlichkeit. Das große X am Ende war Zugeständnis an juvenile orthographische Vorlieben, wenn nicht Rückbezug auf die Wurzeln des Komsomols. (Immerhin stand im Verkaufsraum an gut sichtbarer Stelle eine Marxbüste aus Marmor herum.)
    Die Archetypik-Budike war ein ganzer Boutiquenkomplex, in dem man sich leicht verlaufen konnte. Die Auswahl größer als im Laffmarx - doch ich mochte diese Lokalität nicht. Es kursierten Gerüchte, in dem Gebäude habe früher eine Gulag-Inspektion gesessen - die geodätische Verwaltung oder die Personalabteilung oder was weiß ich. Als ich das hörte, war mir klar, warum Baldur und Jehova das Haus »Archipel Glamour« oder einfach Archipel nannten.
    An den Wänden hingen vielerlei Photographien von Sportwagen mit bescheuerten Unterschriften: Karre No. 51, Karre No. 89 usw. Auf dem Warenbon stand eine dieser Nummern, und wenn der Kunde an der Kasse die zugehörige Automarke nennen konnte, bekam er 10 % Rabatt.
    Ich begriff, dass das ein schlauer Werbegag war: Der Kunde irrt durch den Gulag auf der Suche nach seiner Karre und stößt dabei auf immer neue Ware, die er in selbige legen kann. Doch ich fand diesen metaphorischen Magnetismus einfach nur gräulich.
    Noch ein Handelszentrum gab es, wo Nippes wie teure Uhren oder Zigarettenspitzen zu erwerben waren: das Height Reason. Boutique für die denkende Elite - so der Claim, mit dem sich der Laden in der Begrüßungsbroschüre positionierte. Russisch geschrieben, las sich der Name eher wie High Treason, was schon merkwürdig war.
    Als Nichtraucher benötigte ich keine Zigarettenspitzen. Was teure Uhren betraf, so schreckte mich die Patek-Philippe-Werbung in selbiger Broschüre nachhaltig ab. Dort hieß es: You never actually own a Patek Philippe. You merely look after it for next generation! Aus Tarantinos Pulp Fiction wusste ich noch, wie eine solche Übergabe kostbarer Chronometer von Generation zu Generation vonstatten gehen konnte. Dort trägt der Vater des Helden eine Uhr in seinem Mastdarm durch die Jahre im japanischen Gefangenenlager. Die Geschichte des Unternehmers Chodorkowski hat dieser Story auch in unserem Hoheitsgebiet neue Aktualität verliehen.

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