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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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zu reagieren, wenn einer sein Dalai-Lama-Bild aus der Brieftasche zieht?«
    »Ganz einfach: Du zeigst deines, wo du mit Christus oder Buddha oder Mohammed drauf bist... Nein, nicht mit Mohammed, das wäre unklug. Da genügen Pfeile vom Bildrand her, mit der Anmerkung: Hier steht Mohammed.«
    Nun wollte ich noch wissen, was das Wort Spiritualität bedeutet - da wir es schon mehrfach gebraucht hatten. Ich studierte das Thema durch Zufallsverkostung und verallgemeinerte meine Erkenntnisse in folgender Notiz:
    Die dem russischen Leben nachgesagte Spiritualität bedeutet, dass kein materielles Gut, sondern Bluff die vornehmste in Russland produzierte und konsumierte Ware ist. Die Unfähigkeit, ordentlich zu bluffen, wird spirituelle Armut genannt. Das Bluffen lernt man mit zunehmender Erfahrung und zunehmendem Geld, darum gibt es hier nichts spirituell Ärmeres als einen jungen Manager.
    Der Glamour-Lehrgang war umfangreich, doch wenig davon blieb mir im Bewusstsein hängen. Er enthielt zahlreiche Verkostungen; ich musste eine Unmenge sinnloser Proben zu mir nehmen, von denen eine jede den Sack Lebenserfahrung, der sich auf meinen Schultern blähte, schwerer machte. Bis heute kann ich nicht begreifen, wie ich dergleichen überhaupt runterbekam:
hirni $%
blow azz
cavalli No3 sssärr! oppla mascha ts-ts-ts.
tschechos
    Doch waren die Surftouren im trüben Nebel fremder Seelen nicht umsonst. Immer klarer nahm ich wahr, was ringsum vor sich ging. Stieß ich auf einen Zeitungsbericht über die Promenadenkonzertsaison im Schloss Archangelskoje oder über die zweite Moskauer Segelregatta auf dem Natternluch, fühlte ich mich nicht mehr klein und armselig, sondern wusste, da richten die Funktionäre des Regimes, seine neue Infanterie, die den Parteisekretären und Volkstanzensembles alter Schule den Rang abgelaufen hat, nur mal wieder ihr ideologisches Sperrfeuer gegen mich.
    Gleiches betraf den Diskurs. Ich kam nun schon leichter dahinter, dass das Scharmützel zweier Intellektueller, von denen der eine als Kettenhund des Regimes auftritt und der andere ihn furchtlos von allen möglichen Seiten attackiert, dass dies keine ideologische Auseinandersetzung ist, sondern ein Duett für Mundharmonika und Konzertina, stimmungsvoller Background zur realen, aus dem Natternluch hervorirrlichtelierenden Ideologie.
    »Während der Glamour, wie wir nun wissen, die Ideologie des Regimes ist«, fuhr Jehova fort, »sind die wichtigsten Künste für uns Pi-ahr, Dshi-ahr, Bi-ahr und Vieh-ahr. ... Mit einem Wort: die Werbung.«
    Pi-ahr war klar, Dshi-ahr meinte wohl G. R. - government relations. Was die anderen beiden sein sollten, war ich zu faul zu fragen.
    Der Werbung waren zwei Unterrichtsstunden gewidmet. Alle gängigen Theorien, die Menschen zu dem Thema entwickelt hatten, ließen wir beiseite (Jehova bezeichnete sie als Scharlatanerie), um uns mit der einen zentralen Technologie zu befassen, die in Handel, Politik und Medien gleichermaßen Anwendung findet. Ihren Ansatz definierte Jehova so: aus Fragmenten der Wahrheit (d.h. unter Vermeidung glatter Lügen) ein Bild zu schaffen, welches mit der Wirklichkeit genau so viel zu tun hat, wie es den Absatz zu steigern vermag. Das klang simpel, doch die Einlassung war wesentlich: Wenn der Bezug zur Realität keine Absatzsteigerung ermöglichte, musste man sich eben um andere Bezüge kümmern. Durch dieses Nadelöhr zogen alle Karawanen.
    Unter den Beispielen, die diese Idee veranschaulichen sollten, fand sich das folgende lingualgeometrische Objekt:
    Man spricht nicht darüber.
Und vergisst es doch nicht. Das ist die Wurzel von allem. Die Quelle, aus der wir alle kommen - du ebenso
wie jene, die du vorbehaltlich »anders« nennst. Nicht irgendwo im Himalaya, nein, in dir drin. Das ist real und spürbar. Greifbar und verlässlich. Gib zu: Das ist das Wahre.
    Die Erläuterung sah so aus:
Bsp. 3: Unkonventionelle Positionierung einer analphallischen Penetration unter Einbeziehung orthogonal zum Standard-Diskurs des Sabtschäkts verlaufender Kontexte.
    »Ah ja. Und wozu ein Kreuz?«, fragte ich Jehova.
    Jehova schüttelte einen Tropfen klare Flüssigkeit aus dem Gläschen auf seinen Finger, leckte ihn ab und schaute eine Zeit lang versonnen in die Ferne.
    »Du hast das Kleingedruckte übersehen«, sagte er dann. »Wozu ein Kreuz? - das ist der Slogan des Konzepts.«
    Als Beispiel für die Anwendung der zentralen Technologie im Politbusiness musste das Projekt der regierungstreuen Jugendbewegung True

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