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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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nie im Leben geraucht hatte -, oder ein Bier? - auch das hatte ich nie gemocht. Irgendetwas musste ich tun, wusste nur nicht, wie und was. Bis es auf einmal klar war.
    Wie ich das Ziel meiner Wünsche erkor, versuche ich gar nicht erst zu erklären. Irgendwann hatte ich es im Visier. Ich sah in der Menge ein Mädchen, es kam auf mich zu. Kariertes Sommerkleid, weiße Handtasche. Im Vorübergehen schaute sie mich kurz an. Ohne die Spur eines Zweifels oder Zauderns machte ich kehrt und heftete mich an ihre Fersen.
    Da wusste ich bereits, was gleich passieren würde. Ich hatte das Heft des Handelns nicht länger in der Hand, ich war nun schon zungengesteuert. Ich fühlte mich tatsächlich wie ein Pferd, das einen alten, mit allen Wassern gewaschenen Kavalleristen in die Schlacht trägt. Das Pferdchen fürchtete sich und wäre viel lieber weggelaufen. Aber die Sporen bohrten sich zu tief in seine Flanken. Darum handelte ich schnell und präzise.
    Ich näherte mich dem Mädchen und beugte mich zu ihr, wie um sie anzusprechen. Instinktiv öffnete ich den Mund ein wenig, als wollte ich Luft einziehen, sah ihre Ohrmuschel ganz nahe vor mir - und da geschah das Seltsame. Ich vernahm ein leises Klicken. Ein Zucken durchfuhr meinen Kopf - und dann wusste ich, es war geschehen.
    Von der Seite betrachtet, muss das Ganze so ausgesehen haben: Ein junger Mann möchte ein Mädchen anscheinend etwas fragen, öffnet schon den Mund, neigt sich zu ihrem Ohr - und muss plötzlich niesen, worauf er verlegen das Weite sucht.
    Sie drehte sich nicht einmal um, ruckte nur nervös mit den Schultern. An ihrem Hals begann sich ein stecknadelkopfgroßer rosa Fleck abzuzeichnen. Der Biss war meisterlich ausgeführt - kein Blut zu sehen, kein einziger Tropfen. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht auf dem Trottoir niederzusinken und selig die Augen zu schließen. Ich lief ihr hinterher.
    Was ich damals noch nicht wusste: Das erste Mal einen Menschen des anderen Geschlechts zu beißen ist ein genauso sonderbares Erlebnis wie der erste Kuss. Es gibt diesen biblischen Ausdruck: eine Frau erkennen. (Darauf wird der Komiker Chasanow in dem berühmten Sketch anspielen mit seinem Juchzer: »Ach, so eine bist du!«) Aber die Menschen sind damit gar nicht gemeint. Ein Mann kann mit seiner Freundin bestenfalls ins Bett gehen. Eine Frau erkennen, dazu ist nur ein Vampir in der Lage. Und ihm werden die Augen geöffnet für ein erstaunliches Mysterium, das in vollem Umfang kein Mensch absehen kann, wiewohl er die genaue Hälfte davon ziemlich gut überblickt.
    Die Koexistenz der beiden Geschlechter ist nämlich eine höchst merkwürdige und amüsante Angelegenheit, unglaublich absurd, aber die Menschen kriegen nichts davon mit. Ihre Auffassung vom Seelenleben des je anderen Geschlechts gründet auf allerlei abwegigen Quellen: Abreißkalendern, die die Geheimnisse ihrer Seele verraten oder, schlimmer noch, Methoden der Manipulation des männlichen Über-Ichs , wie die Zeitschrift Frau und Erfolg sie anbietet. Dieses Innenleben plastisch zu machen, wird meist auf die Terminologie zurückgegriffen, die dem komplementären Geschlecht einleuchtet: Der Mann wird ihr als rüdes, dreistes Frauenzimmer mit Haaren im Gesicht beschrieben, die Frau ihm als Dämlack von Mann - ohne Schwanz und mit wenig Geschick beim Autofahren.
    In Wirklichkeit sind Mann und Frau viel weiter voneinander entfernt, als man es sich vorstellen mag. Sie sind sich in einem Maße unähnlich, dass es mit Worten nicht zu beschreiben ist. Was selbstverständlich mit dem Hormongehalt der roten Flüssigkeit zu tun hat.
    Man könnte es so formulieren: Unsere Welt ist von zweierlei Junkies besiedelt, die von zwei gleich hammerharten, aber sehr unterschiedlich wirkenden psychotropen Substanzen abhängen. Sie halluzinieren diametral entgegengesetzte Bilder. Sind aber trotzdem dazu verdammt, ihre Zeit miteinander zu verbringen. Über die Jahrtausende haben sie nicht nur gelernt, Seite an Seite ihre grundverschiedenen Trips zu genießen, sie entwickelten auch gewisse Etikette und führen sich auf, als verstünden sie einander tatsächlich, auch wenn so ziemlich jedes Wort verschiedene Bedeutung hat.
    Man könnte auf die Idee kommen, die übergreifenden Erfahrungen eines Vampirs mit denen eines Transsexuellen zu vergleichen, der eine Operation zur Geschlechtsumwandlung nebst Hormonkur durchlaufen hat. Aber das haut nicht ganz hin. Ein Transsexueller wechselt sein Befinden allmählich -wie eine lange

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