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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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fort. »Und das, obwohl sie tagein, tagaus an nichts anderes denken. Wie auch immer ein Mensch seinen Beruf bezeichnen mag - er schuftet an seinem zugewiesenen Platz im Steinbruch, wo Geld gewonnen wird. Sein Leben lang! Was er dort macht, nennt er Karriere ... Wie heißt noch mal der Steinbruch en fran ç ais, da war doch was, hi-hi. . Glaubt nur nicht, dass ich Häme empfinde, doch der moderne Büroarbeitsplatz ist sogar äußerlich einem Koben im Rinderstall ähnlich: Statt dem Fließband mit dem Futter
    hat das Büroproletariat einen Monitor vor der Nase, auf dem das Futter in digitaler Form abgebildet ist... Was wird in diesem Koben hergestellt? Die Antwort ist so offensichtlich, dass sie in die Idiomatik der verschiedensten Sprachen eingedrungen ist. Der Mensch macht Geld. He or she makes money.«
    Ich hatte Lust zu widersprechen.
    »Geld ist kein Produkt«, sagte ich. »Es ist ein Mittel zum Zweck, eine Erfindung, um das Leben zu erleichtern. Eine der Folgen der Evolution, die den Menschen über das Tier erhoben hat.«
    Enlil Maratowitsch schaute mich spöttisch an.
    »Glaubst du im Ernst, der Mensch hätte sich über die Tiere erhoben?«
    »Natürlich. Was denn sonst?«
    »Er ist viel tiefer gesunken. Nur ein pensionierter Millionär kann sich heutzutage die tierische Lebensart leisten: in freier Natur leben, unter gesunden klimatischen Bedingungen, mit viel Bewegung, ökologisch sauberer Nahrung und den lieben Gott eine guten Mann sein lassen. Überlegt doch mal: Kein Tier arbeitet!«
    »Was ist mit den Eichhörnchen?«, fragte Hera. »Die sammeln Nüsse.«
    »Das ist doch keine Arbeit, meine Liebe. Arbeit wäre, wenn sie einander von früh bis spät vertrocknete Bärenscheiße aufschwatzen müssten. Nüsse sammeln ist Shopping für lau. Arbeit verrichtet außer dem Menschen nur das sogenannte Nutzvieh, das er sich nach dem eigenen Ebenbild herangezüchtet hat. Hätte das Geld die Aufgabe, für ein leichteres Leben zu sorgen, wie du behauptest, warum müssen es die Leute dann ihr Leben lang aus dem Boden stampfen, bis sie alt und grau sind? Glaubt ihr ernsthaft, der Mensch täte das zu seinem Nutz und Frommen? Ich bitte euch. Der Mensch weiß noch nicht mal, was Geld eigentlich ist.«
    Sein Blick ging zwischen Hera und mir hin und her.
    »Dabei«, sprach er, »ist das wirklich nicht schwer zu begreifen. Man muss sich nur einmal die elementare Frage stellen: Woraus wird Geld gewonnen?«
    Mir schien, die Frage war an mich gerichtet.
    »Das lässt sich nicht in zwei Sätzen formulieren«, sagte ich, »diesbezüglich streiten die Gelehrten ...«
    »Das sollen sie ruhig weiter tun. Aber für jeden Steinbrucharbeiter ist klar: Geld wird aus seiner Zeit und seiner Kraft gewonnen. Seine Lebensenergie, die er aus der Luft, der Sonne, der Nahrung und anderen Freuden des Lebens bezieht, wird zu Geld gemacht.«
    »Sie meinen das eher so im übertragenen Sinn ...«
    »Nein, im buchstäblichen. Der Mensch denkt, dass er das Geld für sich gewinnt. Und merkt nicht, dass er es in Wirklichkeit aus sich gewinnt. Das Leben ist so eingerichtet, dass er, will er ein bisschen Geld für den eigenen Bedarf haben, beträchtlich mehr für einen anderen produzieren muss. Und alles, was er für sich gewinnt, rinnt ihm unweigerlich, auf sonderbare Weise durch die Finger. Noch nicht bemerkt? Damals, als Transportkuli im Supermarkt?«
    Hera schaute neugierig herüber. Ich hätte Enlil Maratowitsch an die Gurgel fahren können.
    »Doch«, brummte ich.
    »Der Grund, weswegen die Menschen nichts von der wahren Natur des Geldes verstehen, ist sehr einfach«, fuhr Enlil Maratowitsch fort. »Es ist nämlich nur im Rahmen des Cargo-Diskurses erlaubt, darüber zu reden. Geredet wird nicht davon, dass das Leben des Menschen zu einer unbegreiflichen Substanz verkocht wird. Sondern, welche Währung mehr Perspektive hat, der Euro oder der Yen. Und ob man dem Yen diesbezüglich trauen kann. Seriöse Menschen denken und reden von nichts anderem.«
    »Das ist doch klar«, sagte ich. »Der Mensch strebt nach dem Geld, weil er andernfalls verhungern würde. So ist das Leben nun mal eingerichtet.«
    »Wohl wahr«, sagte Enlil Maratowitsch. »Ich würde den Satz nur ein wenig umstellen. Den Akzent ein wenig verschieben.«
    »Nämlich?«
    »Das Leben ist so eingerichtet, dass der Mensch verhungert, wenn er noch etwas anderes will als Geld. Und ich versuche gerade zu erklären, wer es so eingerichtet hat und warum.«
    »Mal angenommen, es stimmte«, sagte

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