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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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brachen herein. Binnen weniger Jahre waren beinahe alle Glieder der Nahrungskette ausgestorben. Die Dinosaurier waren weg. Die Große Maus, die sich von deren roter Flüssigkeit nährte, sah sich dem Tode nah. Doch den Vampiren gelang es, einen Kern aus sich zu extrahieren -das, was wir heute die Zunge nennen. Eine Art übertragbare Speicherkarte mit den Persönlichkeitsmerkmalen. Das Hirnmark - wurmförmig, zu neunzig Prozent aus Nervenzellen bestehend. Dieses Individualitätsdepot siedelte sich nun in den Schädeln anderer, besser an die neuen Verhältnisse angepasster Lebewesen an und ging mit ihnen eine Symbiose ein. Einzelheiten muss ich hier vielleicht nicht erläutern.«
    »Vielleicht doch? Was waren das zum Beispiel für Lebewesen?«
    »Lange Zeit überlebten wir in größeren Raubtieren. Säbelzahntigern zum Beispiel, anderen Großkatzen. Unsere Kultur war damals, wie soll ich sagen ... nun ja: ziemlich abstoßend. Heroisch gewalttätig sozusagen. Wir waren schrecklich, wir waren schön, wir waren gnadenlos. Schön und gnadenlos zugleich, das geht nicht lange gut. Vor ungefähr einer halben Million Jahren ereignete sich in der Welt der Vampire eine Revolution des Geistes ...«
    Der Ausdruck Revolution des Geistes kam im Diskurs recht vielfältig zum Einsatz und konnte alles Mögliche bedeuten. Ich wählte den jüngsten Anwendungsfall:
    »So wie auf dem Kiewer Majdan?«
    Enlil Maratowitsch räusperte sich.
    »Das nun nicht gerade. Das war bloß ein religiöser Appell. Wie ich schon erwähnte, standen die Vampire vor der Aufgabe, von der Schlachtvieh- zur Milchwirtschaft überzugehen. Sie beschlossen, sich ein Melktier zuzulegen. Infolgedessen entstand der Mensch.«
    »Wie haben die Vampire ihn geschaffen?«
    »Gezüchtet, sollte man besser sagen. So ähnlich, wie der Mensch sich Hund und Schaf züchtete.«
    »Durch künstliche Auslese?«
    »Jawohl. Zunächst wurde eine Reihe genetischer Modifikationen durchgeführt. Damit hatte man schon zuvor experimentiert. So ist der Großen Maus zum Beispiel die Existenz von sogenannten Warmblütern zu verdanken, die hauptsächlich dazu dienten, die rote Flüssigkeit optimal zu temperieren. Doch der Mensch war eine qualitativ neue Herausforderung.«
    »Woraus wurde der Mensch gezüchtet! Aus Affen?«, wollte Hera wissen.
    »So ist es.«
    »Wo und wann geschah das?«
    »Es hat sich ziemlich hingezogen. Die letzte genetische Modifikation erfolgte vor 180 000 Jahren in Afrika. Von dem Punkt aus nahm die moderne Menschheit ihre Entwicklung.«
    »Und welche Methode lag der Selektion zugrunde?«, stellte Hera ihre nächste Frage.
    »Methode, was soll das heißen?«
    »Na, bei der Zucht von Milchkühen sucht man sich diejenigen aus, die viel Milch geben. So dass am Ende eine Kuh herauskommt, die mehr Milch gibt als jede andere. Worum ging es beim Menschen?«
    »Die Vampire haben Tiere mit besonderen Geistesanlagen ausgesucht.«
    »Nämlich welchen?«
    »Das ist ein kompliziertes Thema«, sagte Enlil Maratowitsch. »Langweile ich euch damit auch nicht?«
    »Nein«, sagte Hera und sah mich an.
    »Es langweilt uns nicht«, bestätigte ich.
    »Gut«, sagte Enlil Maratowitsch. »Aber da muss ich etwas weiter ausholen ...«
    Er gähnte und schloss die Augen.
    Es verging ungefähr eine Minute in völliger Stille. Anscheinend hatte Enlil Maratowitsch so weit auszuholen beschlossen, dass er erst einmal gar nicht mehr anwesend war. Ich vermutete schon, er wäre eingeschlafen, und sah Hera fragend an. Sie zuckte mit den Schultern. Aber da schlug Enlil Maratowitsch die Augen auf und begann zu sprechen.
    »Es existiert eine alte Idee, die in Fantasy-Büchern und okkulter Literatur des Öfteren aufgewärmt wird: dass es den Menschen zwar so scheint, als wandelten sie auf der Oberfläche einer Kugel und richteten den Blick ins unendliche All - dass sie aber in Wirklichkeit im Inneren einer Hohlkugel leben, und der Kosmos vor ihren Augen ist eine optische Täuschung.«
    »Das kenne ich«, sagte ich. »Das ist die esoterische Weltvorstellung der Nazis. Sie hatten sogar vor, Raketen zu bauen, die, senkrecht nach oben ausgerichtet, die Kerneiszone durchstoßen und in Amerika einschlagen sollten.«
    Meine Belesenheit schien auf Enlil Maratowitsch nicht den geringsten Eindruck zu machen.
    »In Wirklichkeit«, sprach er weiter, »handelt es sich um ein sehr altes Gleichnis, das schon auf Atlantis bekannt war. Es enthält eine Vision, die die Menschen zu jener Zeit nicht anders als allegorisch

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