Das fuenfte Imperium
Bablos lässt sich aus ihm im Laufe eines Lebens höchstens ein Gramm gewinnen. Du verstehst?«
Ich verstand.
»Und das auch nur bei einem weißen Protestanten in den USA. Unsere Russen geben viel weniger ... Aber vielleicht kann ich dir was anbieten. He, Mädels, haben wir Bablos im Haus?«
»Nein!«, ertönte eine Mädchenstimme von hinter dem Paravent.
»Da hast dus«, sagte Ischtar. »Der Schuster geht barfuß. Ich bin es, die das Zeug macht, und hab doch keins.«
»Wie machen Sie es?«
»Musst du unbedingt die komplette Technologie wissen? Willst mir unter die Röcke kriechen, was? Das Bablos ist die Milch, die ich gebe ...«
Anscheinend gelang es mir schon wieder nicht, meine Gefühle ganz unter Kontrolle zu halten. Ischtar lachte. Ich biss mir auf die Lippe, setzte eine ernste, ehrerbietige Miene auf. Das erheiterte sie noch mehr.
»Enlil hat dir doch das Bild auf dem Dollar gegeben«, sagte sie. »Das mit der einäugigen Pyramide. Da hast du die ganze Technologie. Und mein sinnbildliches Porträt noch dazu. Jetzt nicht mein ganz persönliches, aber das von jeder Ischtar in jedem beliebigen Land ...«
»Sie sind mir sympathischer«, warf ich ein.
»Danke. Die Pyramide steht für den Leib der Göttin, in dem das Bablos kondensiert wird. Das Auge im Dreieck verweist auf einen austauschbaren Kopf, weshalb der Kontakt zu den Menschen nach jeder Katastrophe, jeder gravierenden Veränderung ihrer Welt, jedem: Ausmisten den Stall, aber richtig! wiederaufgenommen werden kann. Das Auge ist losgelöst von der Pyramide, darum ist den Vampiren egal, woran die Menschen in hundert Jahren glauben werden und welche Scheine dann in ihrer Welt in Umlauf sind, Dollar oder Dinar. Wir sind wie Tiefseefische. Kein Hurrikan an der Oberfläche kann uns schrecken. Er geht uns nichts an.«
»Verstehe«, sagte ich.
»Und was deine Sympathien betrifft ... Du kannst dich nicht gut verstellen. Bist schon ein lustiger Knabe ... Besten Dank übrigens für die Anregungen bezüglich meiner Frisur. Ich denk drüber nach.«
Über ihre Frisur hatte ich kein Wort verloren, so viel stand fest. Der erste Eindruck hatte sich offenbar in meiner roten Flüssigkeit niedergeschlagen.
»Entschuldigen Sie bitte«, sagte ich verlegen.
»Lass mal, das macht mir nichts aus, ich bin nicht blöd. Es trifft ja zu. Aber ich hab eben auch manchmal Langeweile. Dann muss ich fernsehen und Zeitschriften lesen. Und jetzt auch noch Internet. Was dort so alles beworben wird! Mach was aus deinem Typ!, heißt es da. Zweifle nicht an dir!«
Ischtar lachte wieder, sie war nun schon völlig betrunken.
»Also lass ich die Zweifel sein«, setzte sie ihre Tirade fort. »Wozu auch, das ganze Geschäft steht und fällt mit mir! Aber ein Flugzeug kaufen, das kann ich ja nicht. Oder eine Yacht... Na gut, ich könnte schon, aber was soll ich damit? Und wenns nur die Yacht wäre ... Ich hab neulich eine Werbung gefunden, in dem Journal da, guck dirs an ...«
Sie deutete zum Tisch hin.
Am Tischrand lag eine Zeitschrift aufgeschlagen, ein doppelseitiges Farbphoto. Es zeigte eine Braut ganz in Weiß vor einer Hochzeitslimousine stehend, das Gesicht in einem Fliederstrauß vergraben. Dahinter die geduldig wartende Autokarawane der Hochzeitsgäste. Der Bräutigam vor der offenen Wagentür, nachdenklich seinen Schnurrbart zwirbelnd. Den neidvollen Frauenblick aus einem entgegenkommenden Kleinwagen hatte der Photograph gleichfalls einzufangen vermocht. Die Bildunterschrift lautete: Tussi. Die Damenbinde . Der Sieg ist in trockenen Tüchern.
Endlich ging mir der ganze Sinn der Bemerkung Enlil Maratowitschs zum nicht vorhandenen bush auf. Ein empörend grausamer Scherz, wie mir schien.
»Nicht einmal diesen Sieg kann ich mir kaufen«, sagte Ischtar. »Du entsinnst dich vielleicht der alten Liedzeile: Nur ein Sieg, nur ein Sieg kann uns helfen, auf den Sieg, nicht den Preis, käm es an ... Denn was soll man mit viel Geld, wenn einem die Beine fehlen, so denken die alten Frontkämpfer. Genauso geht’s mir. Was bleibt mir anderes, als mich um meine Frisur zu kümmern. Und ein ordentliches Make-up. Ringe in die Ohren zu hängen. Aber das wars dann auch schon. Lach mich nicht aus, mich dumme alte Gans!«
Ich begann mich zu schämen. Und sie tat mir leid. Zum Glück hatte ich die Narben des Faceliftings erst nach ihrem Biss bemerkt. Sollte sie glauben, dass wenigstens das gutgegangen war.
Ein Handy piepste.
»Ja?«, meldete sich Ischtar.
Aus dem Knopf in ihrem Ohr hörte
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