Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das fünfte Kind. Roman

Das fünfte Kind. Roman

Titel: Das fünfte Kind. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
Vom Netzwerk:
zu übertrieben … Sicher hätten sie ihr sagen sollen: »Schau, Bridget, erwarte nicht so viel. Das Leben ist nicht wirklich so!« Aber das Leben war so, wenn man die richtige Wahl traf: Warum also sollten sie das Gefühl haben, Bridget könnte nicht bekommen, was sie in so reichem Maße hatten?
    Noch bevor die Verwandtschaft zum Weihnachtsfest 1973 wieder bei ihnen zusammenströmte, war Harriet aufs Neue schwanger. Diesmal zu ihrer und Davids größter Bestürzung. Wie hatte das geschehen können? Sie hatten sich doch vorgenommen, eine Weile keine Kinder mehr zu bekommen, und sich entsprechend vorsichtig verhalten. David versuchte zu witzeln: »Es liegt an diesem Zimmer, ich könnte schwören, es ist so eine Art Baby-Maschine!«
    Sie zögerten, Dorothy ins Bild zu setzen. Sie war sowieso nicht da, weil Sarah wieder gesagt hatte, es sei ungerecht, dass sie immer nur Harriet helfe. Aber Harriet wurde einfach nicht mehr allein mit allem fertig. Sie hatte drei Hausgehilfinnen hintereinander, die frisch von der Schule kamen und Schwierigkeiten hatten, eine andere Arbeit zu finden. Sie taugten nicht viel. Harriet fand, sie kümmerte sich mehr um die Mädchen als diese sich um sie. Sie kamen oder blieben weg, wie es ihnen passte, und saßen dann mit ihren Freundinnen herum und tranken Tee, während Harriet sich abrackerte. Sie war gehetzt, erledigt, reizbar, sie verlor oft die Fassung und brach in Tränen aus … David sah sie am Küchentisch sitzen und den Kopf zwischen den Händen halten, und sie stammelte, dieser neue Fötus vergifte sie innerlich. Der kleine Paul lag unbeachtet in seinem Wägelchen und wimmerte vor sich hin. David nahm vierzehn Tage Urlaub, um zu Hause zu bleiben und Harriet zu helfen. Sie hatten immer gewusst, wie viel sie Dorothy verdankten, aber jetzt wussten sie es noch besser – und wenn Dorothy hörte, dass ihre Tochter schon wieder schwanger war, würde sie ärgerlich werden. Sehr ärgerlich. Und das mit Recht.
    »Wenn wir erst Weihnachten haben, wird alles leichter sein«, weinte Harriet.
    »Das ist doch wohl nicht dein Ernst«, fuhr David sie an. »Natürlich kann dieses Jahr niemand kommen.«
    »Aber es ist viel einfacher, wenn ich Leute um mich habe. Alle helfen mir.«
    »Dieses Jahr werden wir einen unserer Dauergäste besuchen«, knirschte David, aber dieser Gedanke erledigte sich nach fünf Minuten von selbst. In keinem Haushalt außer dem ihren konnten zusätzlich sechs Leute untergebracht werden.
    Harriet lag schluchzend auf dem Bett. »Ich will alle hierhaben. Oh, David, lade sie nicht aus, bitte … Sie lenken mich wenigstens ein bisschen ab.«
    Er setzte sich auf seine Bettkante, sah sie beunruhigt an und verscheuchte seine kritischen Hintergedanken. Gerade jetzt wäre es ihm lieber gewesen, das Haus nicht wieder wochenlang voller Gäste zu haben. Es war derart kostspielig, und sie waren immer knapp bei Kasse. Er hatte schon Nebenarbeiten angenommen, und nun musste er hier zu Hause auch noch das Kindermädchen spielen. »Du musst einfach eine ordentliche Hilfe haben, Harriet. Versuch doch endlich einmal, eine zu halten.«
    Die darin versteckte Kritik versetzte sie in Zorn. »Das ist nicht fair. Du musst dich ja nicht mit ihnen herumärgern. Sie sind zu nichts gut. Ich glaube, von denen, die wir bis jetzt hatten, hat noch keine in ihrem ganzen Leben wirklich gearbeitet.«
    »Etwas haben sie doch gemacht, und wenn es nur der Abwasch war.«
    Dorothy rief an und sagte, jetzt müssten sich Sarah und Harriet einmal ohne sie behelfen: Sie, Dorothy, brauche einfach selbst eine Ruhepause. Sie werde sich für ein paar Wochen in ihre eigene Wohnung zurückziehen und sich erholen. Harriet weinte derart, dass sie kaum sprechen konnte. Dorothy konnte nicht herausfinden, was ihr denn fehlte. Schließlich sagte sie: »Also gut, es scheint, dass ich doch kommen muss.«
    Sie kam, setzte sich mit David und Harriet an den großen Tisch (die vier Kinder waren ebenfalls da) und sah Harriet streng an. Dass ihre Tochter wieder schwanger war, hatte sie innerhalb der ersten halben Stunde nach ihrer Ankunft begriffen. Man sah in ihrem Gesicht, dass ihr schlimme Dinge auf der Zunge lagen: »So ist das also. Ich bin eure Putzfrau, ich diene als Magd in diesem Hause!« Oder: »Ihr seid unglaubliche Egoisten, alle beide. Unverantwortlich.« Diese Worte lagen in der Luft, wurden aber nicht ausgesprochen. Sie wussten alle, dass, wenn Dorothy sich nicht zügelte, es kein Halten mehr gäbe.
    Sie saß am oberen

Weitere Kostenlose Bücher