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Das fünfte Kind. Roman

Das fünfte Kind. Roman

Titel: Das fünfte Kind. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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hatte etwas Verbissenes, denn sie arbeitete von Tagesanbruch bis in die Nacht. Die Kinder bettelten um Aufmerksamkeit und wurden unausstehlich, besonders der kleine Paul.
    Doktor Brett hatte den Lovatts ein neues Mädchen aus dem Dorf besorgt. Sie war nett und faul wie die drei anderen, sah nie, was zu tun war, wenn Dorothy sie nicht mit der Nase darauf stieß. Die Berge von Arbeit, die die vier Kinder machten, fasste sie als persönliche Beleidigung auf. Immerhin gefielen ihr die vielen Leute, die überall herumsaßen und plauderten, und binnen Kurzem saß sie mit ihnen herum und nahm an ihren Mahlzeiten teil. Sie fand es ganz natürlich, dass die Gäste sie mit bedienten. Jeder wusste, dass sie sehr bald einen Kündigungsgrund finden würde, wenn erst diese amüsante Partygesellschaft auseinandergegangen war.
    Und das tat sie, früher als gewöhnlich. Jessica (deren bunte Sommerkleider dem englischen Winter kein Zugeständnis machten, abgesehen von einer leichten Strickjacke) war nicht die Einzige, der plötzlich einfiel, dass sie noch ein paar anderen Leuten ihren Besuch versprochen hatte. Sie fuhr ab, und Deborah fuhr gleich mit. James folgte. Davids Stiefvater Frederick hatte dringend ein Buch fertig zu schreiben. Das einst so verzückte Schulmädchen Bridget fand Harriet einmal, wie sie dalag und beide Hände auf ihren Leib presste, wobei ihr die Tränen über das Gesicht strömten und sie vor unbestimmten, unnennbaren Schmerzen stöhnte, ein Erlebnis, das Bridget derart traf, dass auch sie weinte und sagte, sie hätte ja immer gewusst, es sei zu schön, um wahr zu sein. Und damit fuhr sie zurück zu ihrer Mutter, die gerade geschieden und frisch verheiratet war und sie absolut nicht brauchen konnte.
    Wie vorauszusehen, ging auch die sogenannte Hausgehilfin, und David bemühte sich in London um eine ausgebildete Kinderschwester. Er konnte sie sich zwar nicht leisten, aber sein Vater hatte ihm gesagt, er werde zahlen. Bis es Harriet wieder besser gehe, hatte er gesagt. Ungewohnt mürrisch gab er seiner Meinung Ausdruck, dass Harriet ihr Schicksal selbst gewählt hatte und nicht ständig erwarten sollte, dass andere die Zeche bezahlten.
    Sie fanden keine Kinderschwester: Alle wollten entweder mit Familien, die nur ein oder zwei Babys hatten, ins Ausland gehen, oder sie wollten in London bleiben. Die Kleinstadt, die vier Kinder, und dazu noch eines unterwegs, das schreckte alle ab.
    Doch schließlich erklärte sich eine Cousine Fredericks, eine verarmte Witwe, bereit, Dorothy zu helfen. Sie hatte selbst drei erwachsene Kinder, und Enkel dazu, aber sie sagte, sie wolle ihnen nicht lästig fallen – eine Bemerkung, die Dorothy zu einer trockenen Erwiderung veranlasste, die wiederum Harriet wie einen Vorwurf empfand. Dorothy gefiel es nicht, dass eine Frau ihres eigenen Alters sich in ihre Befugnisse einmischte, aber das half nun nichts. Harriet selbst schien fast nichts mehr tun zu können.
    Sie ging wieder zu Doktor Brett, denn sie fand weder Schlaf noch Ruhe. Der Fötus schien sich schon jetzt mit aller Energie seinen Weg aus dem Mutterleib bahnen zu wollen.
    »Sehen Sie sich das an«, sagte sie, als ihre Bauchdecke sich stürmisch hob und senkte.
»Fünf Monate.«
    Er machte die üblichen Tests und sagte dann: »Ja, es ist groß für fünf Monate, aber noch im Rahmen des Normalen.«
    »Haben Sie vielleicht schon mal einen solchen Fall gehabt?«, fragte Harriet so scharf und direkt, dass der Arzt sie befremdet ansah.
    »Natürlich habe ich schon massenhaft kräftige Babys gesehen«, erwiderte er kurz, und als Harriet weiterfragte: »Im fünften Monat? Wie dieses hier?«, ging er weiteren Auskünften aus dem Weg. Sie fühlte, dass er nicht ehrlich war. »Ich verschreibe Ihnen ein Sedativum«, sagte Doktor Brett. Ihr? Sie hatte eher den Eindruck, es sollte das Baby ruhig stellen.
    Von nun an scheute sie sich vor dem Arzt und bat andere Leute um Beruhigungsmittel. Sie sagte David nicht, dass sie welche nahm und wie viel. Es war das erste Mal, dass sie ihm etwas verheimlichte. Der Fötus verhielt sich nach jeder Einnahme etwa eine Stunde lang ruhig, und Harriet hatte eine Atempause von all dem endlosen Gerumpel und Gestrampel. Manchmal war es so schlimm, dass sie vor Schmerz aufschrie. Nachts hörte David ihr unterdrücktes Stöhnen und Wimmern, aber er versuchte nicht mehr, sie zu trösten, denn in diesen Tagen half es ihr gar nichts, wenn er sie in die Arme nahm.
    »Mein
Gott
«, flüsterte oder ächzte oder

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