Das fuenfte Maedchen
müssen darüber reden.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Nun, ich muss es.« Er grinste nicht mehr, sondern fing an, ärgerlich zu werden.
Ich rappelte mich hoch. Nathan befand sich zwischen mir und dem Parkplatz. Also schlug ich den anderen Weg ein, ging den windigen Klippenweg hinauf, Eissturmvögel zogen ihre Bahnen am Himmel unter mir. Hier oben war der Wind heftiger, wirbelte den trockenen Kiesweg auf und blies mir Sand in die Augen, doch ich zog den Kopf ein, verschränkte die Arme und ging mit groÃen Schritten weiter. Da mir der Wind um die Ohren peitschte und die Sonne mich blendete, hatte ich fast vergessen, dass er hinter mir herkletterte.
»Ruby, hör doch!«
Er griff nach meinem Arm und zerrte daran. Ich geriet ins Wanken, rutschte und schlitterte gegen die Felskante.
Ich schrie auf, wenn auch nicht laut, weil ich zu sehr in Panik geriet wegen des Abgrunds rechts von mir. Doch ich war nicht wirklich aus dem Gleichgewicht und drängte mich enger an den Hang. Nathan war einen Schritt zurückgewichen. Sein Blick verriet Ãberraschung, vielleicht auch leichte Schuldgefühle. Doch als ich mich wieder gefangen hatte, packte er erneut meinen Arm.
»Hey, lass mich â¦Â«
Zu Ende reden? Du kannst mich mal. Boshaft wirbelte ich mit den Schuhen den Kies und den Sand auf dem Weg auf. Der Wind peitschte ihm alles ins Gesicht. Er stieà einen kleinen überraschten Schrei aus und hielt sich die Hände vor die Augen.
»Au! Was soll das?« Er nahm die Hände weg, blinzelte, doch seine Augen tränten, waren immer noch voller Sand. Also bedeckte er sie erneut. »Aua.«
Er hüpfte und tanzte herum und jammerte über die Schmerzen in seinen Augen.
Ich sah den Abhang hinab.
Ich hätte ihn mühelos hinunterstoÃen können. Er hatte das Gleichgewicht verloren, war nur noch mit seinen schmerzenden Augen beschäftigt. Ehrlich gesagt hätte ich es mit einer Hand tun können.
»Ich geh jetzt heim«, sagte ich und schob mich an ihm vorbei auf sicheres Terrain. Er beruhigte sich jetzt, blinzelte und ging weiter. »Au, au! Verdammt, au!«
Erneut bot sich die Gelegenheit, ihn hinunterzustoÃen, aber natürlich tat ich es nicht.
Doch seither habe ich es in meinen Tagträumen getan, viele Male. Was bedeutet es, fragte ich mich: dass ich mir wünschte, ich hätte anders gehandelt? Ich hätte all dem ein Ende setzen können, wenn ich ihn hinuntergestoÃen hätte.
Wenn nur â¦
Als ich Nathan Baird das letzte Mal bei uns sah, tanzte er Tango. Immerhin tat er das ganz passabel, drängte seine schmalen Hüften in einer Weise gegen Jinns, dass ich errötete. Sie lieà die Finger über seinen Rücken gleiten und sie blickten sich tief in die Augen.
Eine Schlange, die eine Maus verzaubert, ging es mir durch den Kopf. Sie waren ganz ineinander versunken, wie hypnotisiert. Die Maus hat viel Macht über die Schlange, genau das dachte ich, als ich durch die halb geöffnete Tür schaute. Die Schlange kann nicht ohne die Maus leben. Wenn die Maus das nur wüsste. Wenn die Maus es nur wüsste, aber auch etwas daran ändern könnte.
Jinn kicherte nicht, aber sie lächelte, als er ihr Gesicht zu seinem hinzog. Ich bin sicher, es war kein richtiger Tango, aber was soll ich sagen? Es war so die Stimmung. Sie hatten Sex in voller Montur. Ich wagte kaum zu atmen, doch sie hätten mich sowieso nicht gehört. Der alte Griesgram von nebenan würde sich bald melden und über die laute Musik beklagen. Mary Coughlan sang Nobodyâs Business ; ein leidenschaftlicher irischer tangoartiger Song. Nathan Baird schien meine Schwester mit Blicken zu verschlingen, aber es wäre für ihn aufs Gleiche hinausgelaufen, wenn sie ihn stattdessen verschlungen hätte. Sie konnten sich gegenseitig zerstören, gegenseitig den Flammen preisgeben, und keiner von beiden würde sich etwas daraus machen. Er lieà den Finger unter die Kette mit dem Bernsteinanhänger und dem toten Moskito gleiten und zog Jinn so eng an sich, dass ich dachte, sie würden miteinander verschmelzen.
Ich erinnere mich an diesen Tango und wünsche mir, er wäre geblieben.
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