Das fünfte Paar
Deborah Harvey und Fred Cheney gefunden werden, möchte ich umgehend unterrichtet werden. Und wenn Mrs. Harvey sich mit einem von Ihnen in Verbindung setzt, bitte ich sie an mich zu verweisen.«
»Das hat sie bereits getan«, sagte ich.
»Ich weiß«, antwortete Wesley, ohne mich anzusehen. Ich fragte ihn nicht, woher - aber ich machte keinen Hehl aus meiner Verärgerung.
»Unter den gegebenen Umständen kann ich verstehen, daß Sie sie besucht haben«, fügte er großmütig hinzu. »Aber ich halte es für besser, derartige Treffen in Zukunft zu vermeiden - und weitere Diskussionen über die Fälle. Das verursacht nur noch mehr Probleme. Mrs. Harvey soll sich aus den Ermittlungen raushalten. Je mehr sie einsteigen würde, um so gefährlicher wäre es für sie.
»Wieso? Meinen Sie, sie könnte auch umgebracht werden?« fragte Marino skeptisch.
»Ich meine, daß sie die Nerven verlieren und durchdrehen könnte.«
Vielleicht war Wesleys Sorge um Pat Harveys seelische Gesundheit echt, aber mir erschien sie geheuchelt. Und als ich später mit Marino nach Richmond zurückfuhr, festigte sich in mir der Verdacht, daß Wesleys Ersuchen um »strengste Diskretion« einen Grund hatte, den er uns verschwieg.
»Ich komme mir vor wie eine Marionette«, gestand ich, als Richmonds Skyline in Sicht kam.
»Willkommen im Club«, erwiderte Marino trocken.
»Haben Sie einen Schimmer, was wirklich vorgeht?«
»Eine Vermutung.« Erdrückte auf den Zigarettenanzünder. »Ich glaube, das hockgeschätzte "Büro" hat was rausgefunden, das, wenn es herauskäme, ein hohes Tier in schlechtem Licht erscheinen ließe. Ich habe das ungute Gefühl, daß jemand gedeckt wird - und Benton sitzt zwischen zwei Stühlen.«
»Wenn das so ist, dann trifft es auch auf uns zu.«
»Sie haben's erfaßt, Doc.«
Es lag drei Jahre zurück, daß Abby Tumbull mit einem Arm voller Schwertlilien und einer Flasche Wein in meinem Büro erschienen war. Sie kam sich verabschieden, nachdem sie der Richmond Times Lebewohl gesagt hatte. In Zukunft würde sie für die Washington Post arbeiten. Wir hatten einander versprochen, in Verbindung zu bleiben, wie man es eben so tut - und jetzt stellte ich beschämt fest, daß ich mich nicht mehr erinnerte, wann ich sie das letzte Mal angerufen oder ihr ein paar Zeilen geschrieben hatte.
»Soll ich durchstellen?« fragte Rose, meine Sekretärin. »Oder wollen Sie, daß ich eine Nachricht notiere?«
»Nein, nein - geben Sie sie mir.
»Scarpetta«, meldete ich mich gewohnheitsmäßig.
»Du klingst immer noch verdammt autoritär«, sagte die vertraute Stimme.
»Abby! Tut mir leid.« Ich lachte. »Rose hat mir gesagt, daß du dran bist, aber wie üblich ersticke ich in Arbeit - und ich fürchte, ich habe irgendwann verlernt, am Telefon freundlich zu sein. Wie geht's dir?«
»Großartig - wenn man von der Tatsache absieht, daß sich die Mordrate in Washington verdreifacht hat, seit ich hingezogen bin.«
»Ist hoffentlich Zufall.«
Sie ging nicht auf die Flachserei ein. »Drogen. Kokain, Crack - und automatische Waffen. Ich dachte immer, Miami wäre das übelste Pflaster - oder vielleicht New York. Nein - unsere geliebte Hauptstadt ist es!«
Ich warf einen Blick auf die Uhr an der Wand und notierte mir die Zeit. Ebenfalls Gewohnheit: Ich war so darauf geeicht, Anrufprotokolle zu schreiben, daß ich sogar zum Block griff, wenn meine Friseuse anrief.
»Ich dachte, du hättest vielleicht heute abend Zeit für ein gemütliches Dinner.«
»In Washington?« fragte ich verdutzt. »Nein - ich bin ich Richmond.«
Ich schlug vor, bei mir zu essen, riß mich von meinem Schreibtisch los und fuhr in den Supermarkt. Nachdem ich den Einkaufswagen lange unentschlossen durch die Gänge geschoben hatte, entschied ich mich für Steaks und Salat. Es war schönes Wetter, und ich freute mich darauf, Abby wiederzusehen. Außerdem gab ihr bevorstehender Besuch mir einen »therapeutischen Schubs«: Er lieferte mir einen Anlaß, die Hemmschwelle zu überwinden und den Grill auf der Terrasse endlich wieder einmal in Gang zu setzen.
Als ich nach Hause kam, machte ich mich sofort an die Essensvorbereitungen. Ich preßte frischen Knoblauch in eine Schüssel mit Rotwein und Olivenöl: Obwohl meine Mutter mich immer wieder ermahnte, »ein gutes Stück Fleisch nicht damit zu ruinieren«, ließ ich mich nicht von meiner Marinade abbringen. Ich wusch den Kopfsalat, schnitt Pilze und Tomaten in Scheiben, Zwiebeln in Ringe, hackte Kräuter- und wappnete
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