Das fünfte Paar
einmal aufgefallen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Und seitdem?«
»Nein. Aber da ist noch etwas anderes: Meine Post. Ich wohne in einem Apartmenthaus. Die Briefkästen sind unten in der Halle - und manchmal bekomme ich Sendungen mit unbegreiflichen Poststempeln.«
»Wenn der CIA sich an deiner Post zu schaffen machte, würdest du es nicht merken - das kann ich dir versichern.«
»Ich sage ja nicht, daß die Post aussieht, als hätte sich jemand daran zu schaffen gemacht - aber in mehreren Fällen schwören Leute, zum Beispiel meine Mutter und mein Agent, etwas an einem bestimmten Tag abgeschickt zu haben, und wenn ich es dann schließlich bekomme, ist das Datum das Poststempels ein anderes. Später. Tage. Eine Woche. Ich weiß nicht...« Sie hielt inne. »Normalerweise würde ich das auf Schlamperei bei der Post schieben - aber zusammen mit all den anderen Dingen bringt es mich ins Grübeln.«
»Warum sollte jemand deine Telefone abhören, dich beschatten und deine Briefe filzen?« fragte ich.
»Wenn ich das wüßte, könnte ich vielleicht was dagegen tun.« Endlich begann sie zu essen. »Mmm - schmeckt toll.« Doch sie schien keinen Hunger zu haben.
»Könnte es sein«, meinte ich vorsichtig, »daß dein unfreiwilliger Ausflug zum Camp Peary und der Besuch der FBI-Agenten dich psychisch etwas aus dem Gleichgewicht gebracht haben?«
»Du meinst, ob ich seitdem unter Verfolgungswahn leide? Möglich - aber ich glaube es nicht. Jedenfalls kann es nicht mit Washington zusammenhängen: Ich schreibe keinen zweiten Veil und recherchiere auch nicht in einem zweiten Watergate-Skandal. In Washington gibt's nichts als Routinesachen. Das einzig große Ding, das läuft, sind die Vorgänge hier in der Gegend: Die Morde - oder wahrscheinlichen Morde - an den verschwundenen Pärchen. Ich fange an, Fragen zu stellen und bekomme Schwierigkeiten. Was hältst du davon?«
»Erscheint mir weit hergeholt«, antwortete ich ausweichend: Es schien mir geraten, Wesleys Anordnungen vom Vorabend zu befolgen.
»Ich weiß von den fehlenden Schuhen und Strümpfen«, erklärte Abby unvermittelt.
Ein Detail, das den Medien bisher verheimlicht worden war!
»Ist doch merkwürdig: Da werden acht Menschen tot im Wald gefunden - und weit und breit keine Spur von ihren Schuhen und Strümpfen!« Sie sah mich erwartungsvoll an.
»Abby«, sagte ich ruhig und goß uns Wein nach, »dir ist doch klar, daß ich nicht über die Fälle sprechen darf - auch nicht mit dir.«
»Hast du nicht einen klitzekleinen Hinweis für mich - damit ich nicht total im dunkeln tappe?«
»Um die Wahrheit zu sagen: Ich bewege mich ebenfalls dort.«
»Wenn das stimmt, dann ist die Sache wirklich top-secret.«
Marino hatte die Vermutung, es werde jemand gedeckt. Und dann fiel mir Pat Harvey ein - und die bevorstehende Anhörung vor dem Kongreß.
»Pat Harvey ist ein großer Star in Washington«, sagte Abby in meine Gedanken hinein.
»Nicht nur dort.«
»Auf den Gästelisten für Elite-Parties steht ihr Name gleich unter dem der First Lady. Es geht das Gerücht, daß Pat Harvey bei der nächsten Wahl das erreichen kann, was Geraldine Ferraro versuchte.«
»Vizepräsidentin zu werden?«
»Sagt der Klatsch. Ich bin eher skeptisch - aber wenn wir wieder einen republikanischen Präsidenten bekommen, wird sie meiner Ansicht nach zumindest ins Kabinett berufen - oder sogar Justizministerin. Vorausgesetzt, sie hält durch.«
»Das wird nicht einfach sein.«
»Persönliche Probleme können eine Karriere sehr schnell beenden.. »Aber nur, wenn man es zuläßt«, erwiderte ich. »Wenn man sie bewältigt, kann man daran wachsen.«
»Ich weiß«, murmelte sie und starrte in ihr Weinglas. »Ich bin ziemlich sicher, daß ich Richmond nie verlassen hätte, wenn das mit Henna nicht passiert wäre.«
Kurz nachdem ich mich in Richmond niedergelassen hatte, war Abbys Schwester ermordet worden. Die Tragödie hatte Abby und mich auf beruflicher Basis zusammengebracht - und dann waren wir Freundinnen geworden. Ein paar Monate später hatte sie den Job bei der Post angenommen.
»Es war schwer für mich, hierher zurückzukommen - selbst nach all der Zeit«, gestand sie. »Heute früh fuhr ich an meinem alten Haus vorbei und spielte mit dem Gedanken, zu klopfen und die neuen Besitzer zu bitten, mich reinzulassen: Ich hatte die Idee, in Hennas Zimmer zu gehen, um das letzte entsetzliche Bild durch ein normales, friedliches zu ersetzen. Aber dann tat ich es doch nicht: Ich hätte es
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