Das fünfte Paar
»daß die ACTMAD als Deckmantel für ein Drogenkartell und andere kriminelle Aktivitäten in Mittelamerika gedient hat.«
»Grundgütiger!« Marino schüttelte den Kopf. »Bloß gut, daß außer der Polizisten-Vereinigung nie jemand einen Cent von mir bekommt.«
« Das Verschwinden von Deborah und Fred gleicht auf den ersten Blick den anderen Fällen«, sagte Wesley, »aber das könnte auch eine bewußte Irreführung sein. Möglicherweise haben wir es mit einem Serienmörder zu tun - vielleicht auch nicht. Wie auch immer - wir wollen die Nachforschungen so unauffällig wie möglich anstellen.«
»Falls irgendwelche mittelamerikanischen Strolche eine Entführung inszeniert haben, werden sie das Mädchen für eine entsprechende Summe schon wieder rausrücken«, meinte Marino.
»Nein - ich glaube nicht, daß es so einfach ist. Es kann bedeutend übler sein. Pat Harvey soll Anfang nächsten Jahres in einem Hearing vor dem Kongreß aussagen - und dabei geht es wieder um zwielichtige Wohlfahrtsorganisationen. Zum jetzigen Zeitpunkt hätte ihr kaum etwas Schlimmeres passieren können als das Verschwinden ihrer Tochter.«
In meinem Magen ballte sich eine Faust. Beruflich konnte niemand Pat Harvey an den Karren fahren - sie hatte eine makellose Karriere durchlaufen -, doch sie war auch Mutter. Das Wohlergehen ihrer Kinder war ihr sicher mehr wert als ihr eigenes Leben - und das war ihre Achillesferse.
»Wir können ein politisches Tatmotiv nicht ausschließen.« Wesley schaute auf die windgepeitschten Bäume hinaus. Auch er hatte Familie. Es war ein Alptraum für ihn, daß ein Gangsterboß, ein Psychopath, jemand, an dessen Verhaftung er beteiligt gewesen war, seiner Frau oder den Kindern etwas antäte. Sein Haus war durch ein ausgeklügeltes Alarmsystem gesichert und die Sprechanlage mit einem Monitor gekoppelt. Er hatte absichtlich einen so entlegenen Wohnort gewählt, besaß eine Geheimnummer, und die Adresse kannte kaum einer seiner Kollegen und Bekannten. Bis heute hatte nicht einmal ich sie gekannt, jedoch angenommen, er wohne näher bei Quantico - vielleicht in McLean oder Alexandria.
»Marino hat Ihnen gegenüber sicher Hilda Ozimek erwähnt«, wandte er sich an mich.
Ich nickte. »Ist sie ernst zu nehmen?«
»Das "Büro" hat sie bei verschiedenen Gelegenheiten zu Rate gezogen - doch wir geben das nicht gern zu. Ihre Gabe, ihre Kraft - wie immer man es nennen will - ist tatsächlich vorhanden. Bitten Sie mich aber nicht um eine Erklärung. Derartige Phänomene gehen über meinen Horizont. Außerdem war ich nie dabei. Aber ich weiß, daß sie einmal dabei geholfen hat, ein Flugzeug des "Büros" aufzuspüren, das in den Bergen von West-Virginia abgestürzt war. Sie hat Sadats Ermordung vorausgesagt, und das Attentat auf Präsident Reagan hätte uns nicht so unvorbereitet getroffen, wenn wir ihr aufmerksamer zugehört hätten.«
»Sie wollen uns doch wohl nicht im Ernst erzählen, daß sie die Schüsse auf Reagan prophezeit hat«, spöttelte Marino.
»Fast auf den Tag genau - wir glaubten es nur nicht, gaben es nicht weiter. Das war ein Fehler, wie sich später zeigte. Und seitdem will der Geheimdienst es sofort wissen, wenn sie etwas "sieht".«
»Der Geheimdienst liest wohl auch Horoskope, was?« grinste Marino.
»Soviel ich weiß«, erwiderte Wesley spitz, »hält Hilda Ozimek Horoskope für ziemlich ungenau. Und sie liest auch nicht aus der Hand.«
»Wie ist Mrs. Harvey auf sie gekommen?« fragte ich.
»Vermutlich über das Justizministerium. Wie auch immer - jedenfalls ließ sie die Hellseherin am Freitag nach Richmond einfliegen, und die Frau hat ihr offenbar einige Dinge gesagt, die zur Folge hatten, daß sie... Na ja - sagen wir mal, ich betrachte Mrs. Harvey in gewisser Weise als Gefahr: Ich befürchte, ihre Aktivitäten könnten sich eher schädlich als positiv auswirken.«
»Was genau hat die Frau ihr denn gesagt?« wollte ich wissen.
Wesley sah mich ausdruckslos an. »Ich kann nicht näher darauf eingehen. Noch nicht.«
»Aber Sie wissen es?« hakte ich nach.
»Mrs. Harvey hat Ihnen mitgeteilt, daß sie sich an eine Hellseherin gewandt hat?«
»Ich bin nicht befugt, mit Ihnen darüber zu sprechen, Kay«, erwiderte Wesley. Ein langes Schweigen folgte, während dessen ich zu dem Schluß kam, daß Wesley seine Informationen nicht von Pat Harvey hatte - sie mußten aus einer anderen Quelle stammen.
»Ich weiß nicht«, sagte Marino schließlich. »Könnte auch sein, daß es Deborah rein
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