Das fünfte Paar
zufällig erwischt hat.«
»Auch das«, nickte Wesley.
»Die Geschichte zieht sich jetzt schon über zwei Jahre hin, Benton«, sagte ich.
»Jaaa«, dehnte Marino. »Eine ganz schön lange Zeit. Ich meine ja immer noch, daß ein Irrer am Werk ist, der sich auf Pärchen spezialisiert hat - als eine Art Racheakt, weil er keine Beziehung aufbauen kann und Leute haßt, die es können.« »Gut möglich. Vielleicht grast er Lover's Lanes ab - die "Wasserlöcher", an denen junge Leute üblicherweise parken. Vielleicht malt er sich seine Taten erst mal im,Trockentraining aus, bevor er zuschlägt, und zehrt dann monatelang von der Erinnerung an die Morde, bevor der Drang zum Töten wieder übermächtig wird und sich eine perfekte Möglichkeit bietet. Es ist durchaus denkbar, daß Deborah Harvey und Fred Cheney nur zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort waren und keines der komplizierten Motive vorliegt, die wir erwägen.«
»Meines Wissens gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Pärchen für ein Schäferstündchen parkten, als sie ihrem Mörder begegneten«, gab ich zu bedenken.
Wesley antwortete nicht.
»Und im Gegensatz zu Deborah und Fred waren die anderen Paare nicht auf einen Rastplatz oder zu einem der "Wasserlöchen" gefahren, wie Sie es nennen«, fuhr ich fort, »sondern mit einem bestimmten Ziel unterwegs, als etwas sie veranlaßte, anzuhalten und jemanden in ihren Wagen zu lassen oder in das Fahrzeug dieser Person zu steigen.«
»Die Killer-Cop-Theorie«, murmelte Marino.
»Der Täter könnte auch ein Mann sein, der sich als Cop ausgibt«, überlegte Wesley laut. »Das würde erklären, weshalb die Pärchen ihre Wagen verließen und den Zündschlüssel stecken ließen: Sie erwarteten nur eine Führerscheinkontrolle und rechneten damit, gleich weiterfahren zu können. Jeder kann in einem entsprechenden Laden das nötige Zubehör für eine Polizisten-Maskerade kaufen - und ein Blinklicht. Allerdings fällt letzteres auf. Andere Verkehrsteilnehmer bemerken es - oder, noch schlimmer, ein echter Cop fährt vorbei, hält an und fragt, ob der »Kollege« Hilfe brauche. Bisher gibt es keinen Hinweis darauf, daß jemand eine Verkehrskontrolle registrierte, als die Pärchen verschwanden..
»Gegen diese Version spricht, daß die jungen Leute ihre Briefund Handtaschen im Auto ließen - mit Ausnahme von Deborah Harvey«, wandte ich ein. »Wenn sie angenommen hätten, ihre Papiere vorzeigen zu müssen, hätten sie diese Dinge doch mitgenommen.«
»Vielleicht lief es anders: Sie glaubten, wegen einer Routine Stichprobe angehalten worden zu sein, und als der Knabe bei ihnen ankam, zog er eine Waffe und befahl ihnen, in sein angebliches Dienstfahrzeug umzusteigen.«
»Ganz schön riskant«, fand Marino. »In einer solchen Situation würde ich das Gaspedal durchtreten und abzischen. Und außerdem bestünde bei einem solchen Vorgehen eine noch größere Gefahr, daß jemand aufmerksam wird. Ich meine: Wie scheucht man in vier, vielleicht sogar fünf Fällen zwei Menschen mit vorgehaltener Waffe in einen Wagen, ohne daß es mindestens einem Vorbeifahrenden auffällt?«
»Ich habe eine noch bessere Frage.« Wesley sah mich durchdringend an. »Wie bringt man acht Menschen um, ohne die geringste Spur zu hinterlassen - nicht einmal eine Knochenverletzung oder eine Kugel in der Nähe der Leichen?«
»Durch Erwürgen, Erdrosseln oder indem man die Kehlen durchschneidet«, erklärte ich. Es war nicht das erste Mal, daß er mich deshalb anging.
»Die Körper waren alle bereits weitgehend verwest, Benton. Noch etwas zu der Killer-Cop-Theorie: In diesem Fall wären die Opfer in den Wagen des Mörders umgestiegen. Doch anhand der Wittenmg, der der Bluthund am letzten Wochenende folgte, kommt man eher zu dem Schluß, daß - falls jemand Deborah Harvey und Fred Cheney etwas antat - dieser Jemand mit Deborahs Jeep wegfuhr, ihn auf dem Rastplatz abstellte und dann zu Fuß die Interstate überquerte.«
Wesley hatte sich schon mehrmals, die Schläfen gerieben, als leide er unter Kopfschmerzen. »Ich wollte mit Ihnen beiden sprechen, um Ihnen klarzumachen, daß dieser Fall mit größter Vorsicht zu behandeln ist. Wir drei müssen eng zusammenarbeiten - ansonsten ist strengste Diskretion erforderlich. Keine unbedachten Äußerungen gegenüber Reportern, keine Weitergabe von Informationen - nicht an Freunde, nicht an Verwandte, andere Gerichtsmediziner oder Cops. Und kein Funkverkehr über dieses Thema!« Er schaute uns an. »Falls
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