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Das fünfte Paar

Das fünfte Paar

Titel: Das fünfte Paar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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mich für die vor mir liegende Aufgabe. Schließlich hatte ich keinen Grund mehr, sie noch länger hinauszuschieben, und trat entschlossen durch die Fenstertür ins Freie.
    Die Blumenbeete und Bäume in meinem Garten erschienen mir im ersten Augenblick fremd - ja sogar bedrückend. Ich gab mir einen Ruck, holte Scheuermittel und Schwamm und begann die Kunststoffmöbel zu schrubben, bevor ich mich daranmachte, den Grill zu säubern, der seit jenem Samstagabend nicht mehr benutzt worden war, an dem Mark und ich uns das letzte Mal gesehen hatten. Ich arbeitete mit solcher Vehemenz und Verbissenheit, daß sehr bald meine Arme schmerzten. Bilder und Stimmen tauchten in meinem Kopf auf. Debatten. Ohrfeigen. Dann ein Rückzug in wütendes Schweigen, das in Leidenschaft mündete.
    Abby kam kurz vor halb sieben. Ich hätte sie beinahe nicht wiedererkannt. Als sie noch Polizeireporterin in Richmond gewesen war, hatten graue Strähnen ihre stets wie vom Wind verwehten, halblangen Haare durchzogen, was sie älter erscheinen ließ als Anfang Vierzig. Jetzt war das Grau verschwunden, das Haar kurzgeschnitten und so frisiert, daß es ihr ebenmäßiges Gesicht und ihre Augen, die in zwei verschiedenen Grüntönen schimmerten - eine Unregelmäßigkeit, die ich besonders apart fand - optimal zur Geltung brachte. Sie trug ein dunkelblaues Seidenkostüm, eine elfenbeinfarbene Seidenbluse und hatte einen eleganten, schmalen Aktenkoffer dabei.
    »Wenn man dich ansieht, weiß man sofort, wo du wohnst!« lachte ich und umarmte sie.
    »Es ist so schön, dich wiederzusehen, Kay.«
    Sie hatte sich daran erinnert, daß ich Scotch mochte, und eine Flasche Glenfiddich mitgebracht, die wir sofort öffneten. Wir setzten uns mit unseren Drinks auf die Terrasse. Es gab viel zu erzählen. Schließlich zündete ich im weichen Licht der Spätsommerdämmerung den Grill an.
    »Ja - manchmal vermisse ich Richmond«, beantwortete sie meine Frage. »Washington hat natürlich was - aber es ist auch zum Kotzen. Ich habe mir doch seinerzeit den Saab geleistet - weißt du noch? Einmal wurde er aufgebrochen, die Radkappen sind futsch und die Türen total verbeult. Ich zahle hundertfünfzig pro Monat für einen Stellplatz - und der liegt vier Blocks von meinem Apartment entfernt. Von einem Parkplatz bei der Post kann man nur träumen. Ich gehe zu Fuß zur Redaktion und fahre mit einem Dienstwagen zu meinen Terminen. Washington ist wirklich nicht Richmond. Aber im großen und ganzen tut es mir nicht leid, daß ich von hier weggegangen bin«, fügte sie ein bißchen zu energisch hinzu.
    »Recherchierst du immer noch bis tief in die Nacht?« Die Steaks zischten, als ich sie auf den Rost legte.
    »Nein - das tun die jungen Reporter. Ich werde nach Dienstschluß nur behelligt, wenn was wirklich Tolles läuft.«
    »Ich kenne die meisten deiner Artikel«, sagte ich. »In der Cafeteria kann man die Post kaufen - und da lese ich sie dann beim Mittagessen.«
    »Über deine Arbeit bin ich nicht so gut auf dem laufenden - aber was du im Augenblick machst, weiß ich.«
    »Und das hat dich auf den Plan gerufen«, schloß ich daraus und bepinselte das Fleisch mit Marinade.
    »Ja: Der Harvey-Fall.«
    Ich antwortete nicht.
    »Marino hat sich nicht verändert.«
    »Du hast mit ihm gesprochen?« »Ich habe es versucht«, korrigierte sie mit einem müden Lächeln. »Auch bei anderen Detectives. Und natürlich bei Benton Wesley. Mit anderen Worten: Vergiß es!«
    »Nimm's nicht so tragisch: Mit mir redet auch kaum einer. Aber behandle diese Äußerung bitte vertraulich.«
    »Alles, war wir miteinander sprechen, wird vertraulich behandelt, Kay«, sagte sie ernst. »Ich bin nicht zu dir gekommen, um dich für meine Story auszuhorchen.« Nach einer kleinen Pause fuhr sie fort: »Ich habe verfolgt, was hier in Virginia vorgeht. Mein Herausgeber war nur sehr mäßig daran interessiert - bis Deborah Harvey und ihr Freund verschwanden: Jetzt ist er ganz heiß auf die Sache.«
    »Das überrascht mich nicht.«
    »Ich weiß nicht recht, wo ich anfangen soll.« Sie sah mich unschlüssig an. »Es gibt Dinge, die ich bisher niemandem erzählt habe. Sie deuten darauf hin, daß ich mich auf brisantem Terrain bewege.«
    »Ich verstehe nicht.« Ich griff nach meinem Drink.
    »Da geht's dir wie mir.«
    »Abby - hör auf, in Rätseln zu sprechen. Erklär mir, worum es geht.«
    Sie atmete tief durch und zündete sich eine Zigarette an. »Wie gesagt, interessiere ich mich schon lange für die Morde an den

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