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Das fünfte Paar

Das fünfte Paar

Titel: Das fünfte Paar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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dieses Vorschlags erwies sich als niederschmetternde Erfahrung. Seit meiner Teenagerzeit hatte ich keinen Schläger mehr in der Hand gehabt, und meine Rückhand, die schon damals alles andere als berauschend gewesen war, konnte ich jetzt gänzlich abschreiben. Einmal in der Woche nahm ich spätabends Unterricht: Dann waren nicht so viele Leute auf der Zuschauergalerie des Westwood Racquet Clubs wie zur Cocktail-und-Happy-Hour.
    Als ich an diesem Abend ankam, blieb mir vor dem Beginn der Stunde gerade noch genug Zeit, um mich in Windeseile umzuziehen und zwei Minuten lang »aufzuwärmen«, indem ich Streckübungen machte und tapfer versuchte, meine Zehenspitzen mit den Fingern zu berühren. Die Endorphine begaben sich auf den Weg.
    Billy, der Trainer, kam, zwei Körbe mit Bällen über der Schulter, hinter dem grünen Vorhang hervor. »Nach den Nachrichten hätte ich Sie heute nicht erwartet.«
    Er stellte die Körbe auf den Boden und zog seine Jacke aus. Üblicherweise begrüßte mich der junge Mann, das ganze Jahr über urlaubsbraun und eine wahre Augenweide, mit einem Lächeln und einem Scherz - doch diesmal blieb er ernst.
    »Mein jüngerer Bruder kannte Fred Cheney. Ich auch - aber nicht so gut.« Er schaute zu den Spielern auf dem Platz am Ende der Halle hinüber. »Fred war ein besonders netter Kerl - und das sage ich nicht, weil er... mein Bruder ist ganz fertig.« Er bückte sich und nahm eine Handvoll Bälle auf. »Ich finde es das Letzte, wie die Medien sich benehmen: Überall wird Pat Harveys Tochter hochgespielt! Fred kommt fast nicht vor. Da kann man wirklich einen Klassenhaß bekommen. Verstehen Sie mich nicht falsch - natürlich tut es mir für sie ebenso leid, aber...« Er hielt inne und setzte dann hinzu: »Na ja - ich denke, Sie wissen, was ich meine.«
    »Das tue ich«, nickte ich.
    »Aber die Kehrseite der Medaille ist, daß einer Familie, die im Licht der Öffentlichkeit steht, nicht gestattet wird, ungestört zu trauem. Fest steht - das Schicksal der jungen Leute ist für alle Hinterbliebenen tragisch.«
    Billy dachte darüber nach und sah mich dann an. »So habe ich es nicht betrachtet. Ich glaube, berühmt sein ist kein Vergnügen - und ich glaube nicht, daß Sie mich stundenweise bezahlen, um sich mit mir zu unterhalten. Was wollen Sie üben?«
    »Jagen Sie mich über den Platz - ich habe ein perverses Bedürfnis nach körperlicher Anstrengung.«
    Jetzt stahl sich doch ein Grinsen über sein Gesicht. »Was für ungewöhnliche Töne aus Ihrem Mund.«
    Ich nahm Aufstellung an der Grundlinie. Meine erste Vorhand wäre gar nicht schlecht gewesen - wenn wir ein Doppel gespielt hätten!
    Meine Rechnung ging auf: Die physischen Anforderungen drängten die harten Tatsachen des vergangenen Tages in den Hintergrund - bis später zu Hause das Telefon zu klingeln begann, als ich gerade zur Tür hereinkam.
    Diesmal konnte Pat Harvey das Zittern in ihrer Stimme nicht unterdrücken: »Warum mußte ich aus den Nachrichten erfahren, daß die Kinder gefunden worden sind?«
    »Bis jetzt steht noch nicht fest, daß sie es sind: Ich untersuche sie erst morgen.« Ich setzte mich auf einen Küchenstuhl, um die Stiefel auszuziehen.
    »Jedenfalls ist es eine männliche und eine weibliche Leiche, nicht wahr?«
    »So scheint es auf den ersten Blick - ja.«
    »Bitte sagen Sie mir, ob auch nur eine entfernte Möglichkeit besteht, daß es nicht die beiden sind.«
    Ich zögerte.
    »O Gott!« flüsterte sie.
    »Mrs. Harvey - ich kann nicht bestätigen...«
    »Als ich bei der Polizei anrief, sagte man mir, daß Debbies Handtasche mit ihrem Führerschein gefunden worden sei«, unterbrach sie mich. Ich hörte beginnende Hysterie mitschwingen. Diesen Morrell sollte man mit einem nassen Lappen erschlagen!
    »Nur aufgrund solcher Gegenstände kann man keine Identifizierung vornehmen.«
    »Sie ist meine Tochter!«
    Als nächstes würden Drohungen und Beschimpfungen folgen: Ich hatte derartige Gespräche schon mit Eltern geführt, die unter gewöhnlichen Umständen ruhig und gesittet waren wie Sonntagsschüler. Pat Harvey mußte beschäftigt werden.
    »Die Leichen sind bisher nicht identifiziert worden«, erklärte ich noch einmal.
    »Ich will sie sehen!«
    Nicht in einer Million Jahren! Da half nur Brutalität: »Die Leichen sind durch bloßes Ansehen nicht mehr zu erkennen«, sagte ich. »Sie sind teilweise skelettiert.«
    Ich hörte, wie sie nach Luft rang.
    »Mit Ihrer Hilfe könnten wir die Identität der weiblichen Toten

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