Das fünfte Paar
zum Umfallen erschöpft.
»Keine Spielchen, Kay.«
»Keine Spielchen.« Ich legte die Hand an seine Wange.
Wir küßten uns ein letztes Mal. Einerseits hätte ich gern die ganze Nacht weitergeküßt - andererseits wollte ich nichts als weg. Unsere Leidenschaft hatte dazu geführt, daß wir immer nur für Augenblicke lebten, die sich nie zu einem gemeinsamen Leben summierten.
»Ich ruf dich an«, versprach er.
Ich öffnete die Wagentür.
»Hör auf Benton«, sagte er. »Du kannst ihm trauen. Die Sache, in die du da hineingeraten bist, ist ausgesprochen übel.«
Ich stieg aus.
»Ich wünschte, du würdest dich da raushalten.«
»Das ist nicht meine Art, wie du weißt.«
Mark meldete sich am folgenden Abend und zwei Abende später wieder. Als er das dritte Mal anrief - am zehnten Februar -, veranlaßte mich das, was er sagte, mir die neueste Ausgabe der Newsweek zu besorgen.
Vom Titelblatt starrten Pat Harveys glanzlose Augen auf Amerika. Die Schlagzeile lautete "Der Mord an der Tochter der Drogen Zarin", und der "Exklusivbericht" im Heftinnern käute die Pressekonferenz wieder, Pat Harveys Anschuldigungen bezüglich einer Verschwörung und die Fälle der anderen Teenager, die zunächst verschwunden und dann verwest in den Wäldern Virginias gefunden worden waren. Ich hatte es abgelehnt, mich für die Story interviewen zu lassen, doch irgend jemand hatte ein Archivfoto von mir ausgegraben, auf dem ich zu sehen war, als ich die Stufen zum John-Marshall-Gerichtsgebäude hinaufstieg. "Chief Medical Examiner gibt unter Androhung eines Gerichtsbeschlusses Untersuchungsergebnisse heraus", stand darunter.
»Das kann mich nicht erschüttern, Mark«, sagte ich, als ich ihn zurückrief. »Paßt zum herrschenden Trend.«
Selbst als meine Mutter mich spät an diesem Abend anrief, blieb ich gelassen - das änderte sich erst, als ich mit meiner Nichte sprach: Lucy hatte seit jeher ein Talent, mich aufzuregen. Sie hatte ungeduldig darauf gewartet, endlich ans Telefon zu dürfen. »Wieso bist du in Schwierigkeiten?« fragte sie.
»Ich bin nicht in Schwierigkeiten.«
»Aber in der Story steht, daß dich jemand bedroht hat.«
»So dramatisch war das nicht. Es ist zu kompliziert zu erklären, Lucy.«
»Ich finde es unheimlich aufregend«, schwenkte sie um. »Morgen nehme ich das Magazin in unsere Schule mit und zeige es allen.«
Na, großartig, dachte ich.
»Mrs. Barrows«, fuhr sie fort und bezog sich damit auf ihre Klassenlehrerin, »hat übrigens gefragt, ob du im April zu unserem Berufsberatungstag kommen könntest.«
Ich hatte Lucy seit einem Jahr nicht gesehen. Es fiel mir schwer, zu begreifen, daß sie schon im zweiten High-School-Jahr, war, und obwohl ich wußte, daß sie Kontaktlinsen trug und bereits den Führerschein hatte, sah ich sie immer noch als kleines Pummelchen vor mir, das darauf bestand, von mir ins Bett gebracht zu werden - ein Enfant terrible, das aus einem geheimnisvollen Grund schon seine Liebe für mich entdeckt hatte, bevor es krabbeln konnte. Ich würde nie vergessen, wie ich an dem Weihnachten nach ihrer Geburt nach Miami flog und eine Woche bei meiner Schwester blieb. Lucy verbrachte jede wache Minute damit, mich zu beobachten. Ihre leuchtenden Augen verfolgten jede meiner Bewegungen wie zwei Suchscheinwerfer. Sie strahlte, wenn ich sie wickelte, und schrie, sobald ich das Zimmer verließ.
»Möchtest du im Sommer eine Woche herkommen?« fragte ich.
Lucy zögerte und sagte dann enttäuscht: »Das heißt wohl, daß aus April nichts wird.«
»Wir werden sehen - okay?«
»Ich weiß nicht, ob ich es im Sommer einrichten kann.« Die geschraubte Ausdrucksweise paßte so gar nicht zu dem kindlichtrotzigen Ton. »Ich habe einen Job - und da kann ich wahrscheinlich nicht weg.«
»Du hast einen Job? Das ist ja toll!«
»Ja- in einem Computergeschäft. Ich spare für ein Auto. Ich will einen Sportwagen. Ein Cabrio. Die alten gibt's manchmal ganz billig.«
»Diese Dinger sind Todesfällen!« entsetzte ich mich. »Bitte laß die Finger davon. Komm nach Richmond - dann suchen wir zusammen ein ordentliches Fahrzeug für dich.«
Sie hatte mir eine Grube gegraben - wie üblich -, und ich war hineingefallen - wie üblich. Sie war eine Expertin auf dem Gebiet der Manipulation, und es bedurfte keines Psychiaters, um den Grund dafür herauszufinden: Lucy litt unter mangelnder Zuwendung seitens ihrer Mutter, meiner Schwester.
»Du bist eine intelligente junge Lady«, änderte ich meine Taktik. »Du
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