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Das fünfte Paar

Das fünfte Paar

Titel: Das fünfte Paar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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West Point erschossen worden, und das finde ich doch recht interessant: Die Leichen des zweiten Pärchens wurden in der Gegend gefunden.«
    »Na schön - ich werde sehn, was ich tun kann.« Sehr begeistert klang er nicht.
    Am nächsten Morgen erschien Marino, als ich gerade meine Arbeit an einem Vierzehnjährigen beendete, der am vorangegangenen Nachmittag aus einem Lastwagen geworfen worden war.
    »Ich will doch nicht hoffen, daß Sie so riechen!« Marino trat näher heran und schnüffelte.
    »Der junge hatte eine Flasche Aftershave in der Hosentasche. Sie zerbrach, als er auf der Straße aufschlug. Der Geruch, der Ihnen so gefällt, kommt von da drüben.« Ich nickte in Richtung Abfalleimer.
    »Brut?« Er schnüffelte noch einmal.
    »Kann sein«, erwiderte ich.
    »Doris hat mir immer Brut gekauft. Eines Tages stieg sie auf Obsession um - können Sie sich das vorstellen?«
    »Was haben Sie herausgefunden?« fragte ich, ohne meine Arbeit zu unterbrechen.
    »Der Hund hieß Dammit - das ist kein Witz«, berichtete er. »Gehörte so einem komischen Kauz - einem Mr. Joyce.«
    »Haben Sie feststellen können, warum das Tier hierhergebracht wurde?«
    »Hing mit keinem Fall zusammen. Wahrscheinlich hat jemand dem Alten einen Gefallen getan.«
    »Der staatliche Veterinär muß in Urlaub gewesen sein«, überlegte ich laut.
    Gegenüber von unserem Gebäude lag das Department of Animal Health. Es besaß eine Leichenhalle, in der Autopsien von Tieren durchgeführt wurden. Normalerweise kamen Kadaver zum staatlichen Tierarzt - aber wenn er mal nicht greifbar war, sprangen wir ein. Im Laufe der Jahre hatte ich gefolterte Hunde, verstümmelte Katzen, eine sexuell mißbrauchte Stute und ein vergiftetes Huhn auf dem Tisch gehabt, das im Briefkasten eines Richters gelegen hatte. Die Menschen gingen mit Tieren ebenso grausam um wie miteinander.
    »Ein Kollege von mir sagt, Mr. Joyce wohne immer noch in derselben Hütte«, fuhr Marino fort. »Er hat kein Telefon. Ich dachte, ich fahr' mal rüber und hör' mir seine Geschichte an. Haben Sie Lust, mitzukommen?«
    Ich setzte eine neue Klinge in mein Skalpell ein und dachte an meinen überquellenden Schreibtisch, die Protokolle, die ich diktieren, und die Anrufe, die ich erwidern, und andere, die ich von mir aus tätigen mußte.
    »Okay«, sagte ich.
    Er stand da, als warte er auf etwas.
    Ich schaute auf. Marino hatte sich die Haare schneiden lassen. Er trug Khakihosen, die von Hosenträgern gehalten wurden, und ein Tweedjackett, das nagelneu aussah. Seine Krawatte war fleckenlos, ebenso das blaßgelbe Hemd. Sogar die Schuhe waren geputzt!
    »Sie sehen fabelhaft aus«, lobte ich ihn wie eine stolze Mutter.
    »Muß wohl so sein«, grinste er errötend. »Rose hat hinter mir hergepfiffen, als ich zum Lift ging. War irgendwie ulkig. Ist schon Jahre her, daß mir eine Frau nachgepfiffen hat - abgesehen von Sugar. Aber Sugar zählt nicht.«
    »Sugar?«.
    »Lungert immer an der Ecke Adam und Church rum. Ist auch als Mad Dog Mama bekannt. Ich fand sie eines Tages in einem Hausgang - bis zur Bewußtlosigkeit betrunken. Ich stolperte regelrecht über sie. Dann machte ich den Fehler, sie zu sich zu bringen. Den ganzen Weg zum Revier wehrte sie sich wie eine Wildkatze und beschimpfte mich. Aber wenn sie mich jetzt aus zwei Blocks Entfernung sieht, pfeift sie und hebt ihren Rock.«
    »Alle Achtung!«

11
    Dammits Rasse war unklar - allerdings konnte man sehen, daß er von all seinen Vorfahren die schlimmsten genetischen Merkmale mitbekommen hatte.
    »Er war noch ganz jung, als ich ihn bekam«, erzählte Mr. Joyce, als ich ihm das Polaroidfoto zurückgab. »Ein Streuner, wissen Sie. Erschien eines Tages an meiner Hintertür. Er tat mir leid, und ich gab ihm was zu fressen - und danach wurde ich ihn nicht mehr los.«
    Wir saßen an Mr. Joyces Küchentisch. Sonnenlicht schien schwach durch das staubige Fenster über dem rostfleckigen Spülbecken, der Wasserhahn tropfte unablässig. Seit wir vor einer Viertelstunde gekommen waren, hatte der alte Mann kein nettes Wort über seinen ermordeten Hund gesagt, und doch sah ich Wärme in seinen Augen, wenn er von ihm sprach, und ich konnte mir durchaus vorstellen, daß die rauhen Hände, die den Kaffeebecher umfaßten, zu Zärtlichkeiten fähig wären.
    »Wie kam er zu seinem Namen?« fragte Marino.
    »Das ergab sich so. Ich brüllte ihn immer an, wissen Sie. Dammit, halt's Maul! Komm her, Dammit! Dammit - wenn du nicht aufhörst, zu japsen, binde ich dir die

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