Das fünfte Paar
Hängeschrank, und gleich darauf hatte ich einen Scotch mit Soda in der Hand. Für sich mixte sie einen Manhattan.
»Was hat sich alles ereignet, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, Kay?« Wir stellten unsere Drinks auf den Küchentisch. »Das war vor Thanksgiving, nicht wahr? Danach haben wir ja mal telefoniert. Machen Sie sich immer noch Gedanken wegen Abbys Buch?«
»Ja. Und auch wegen der Morde an den Pärchen. Und wegen Pat Harvey.«
»Ich habe die Sache in den Medien verfolgt. Übrigens, ich finde, Sie sehen gut aus. Ein bißchen müde - und ein bißchen zu dünn vielleicht.«
»Eine Frau kann nie zu dünn sein.«
Sie lachte. »Jedenfalls habe ich Sie schon in sehr viel schlechterer Verfassung erlebt. Es macht den Eindruck, als hätten Sie Ihre Probleme im Griff.«
»Mal besser, mal schlechter.«
Anna nippte an ihrem Manhattan und sah mich forschend an. »Was ist mit Mark?«
»Ich habe ihn wiedergesehen«, erzählte ich. »Und wir telefonieren ab und zu. Er ist nach wie vor hin- und hergerissen. Ich fürchte, mir geht es genauso. Wie Sie sehen, gibt es nichts Neues.«
»Sie haben ihn wiedergesehen - das ist neu.«
»Ich liebe ihn noch immer.«
»Das ist nicht neu.«
»Es ist alles so schwierig, Anna. Unerfreulich, nervenaufreibend und kränkend - aber irgendwie kommen wir nicht voneinander los.«
« Ihre Gefühle sind sehr stark - aber Sie scheuen sich beide vor einer Bindung. Außerdem haben wir es hier mit zwei ausgeprägten Dickschädeln zu tun. Und Sie haben beide Angst, daß Ihre Beziehung zu Gewohnheit abflachen könnte. Mir ist in der Zeitung aufgefallen, daß auf Mark angespielt wurde. Wie hat er darauf reagiert?«
»Ich habe es ihm nicht gesagt.«
»Er hat es sicherlich anderweitig erfahren: Entweder hat er es selbst gelesen oder von einem Kollegen gehört. Wenn er verärgert gewesen wäre, hätte er Sie bestimmt angerufen.«
Erleichterung erfüllte mich. »Ich denke schon.«
»Zumindest haben Sie wieder Kontakt zueinander. Sind Sie jetzt glücklicher?«
»Doch, das bin ich.«
»Und haben Sie Hoffnung?«
»Ich gebe uns noch eine Chance«, antwortete ich. »Aber ich weiß nicht, ob es gutgehen wird.«
»Eine Garantie gibt es niemals.«
»Das ist eine sehr traurige Wahrheit - aber ich weiß wenigstens jetzt, daß ich das Risiko eingehen will.«
»Na, das ist doch schon ein ganz beachtlicher Fortschritt«, fand Anna.
Sie stand auf und holte das Brot aus dem Ofen. Ich sah zu, wie sie Chili in Tonschalen löffelte, Krautsalat in Schüsselchen füllte und uns Wein eingoß. Dann erinnerte ich mich an die Bescheinigung, die ich mitgebracht hatte. Ich nahm sie aus der Handtasche und legte sie auf den Tisch.
Anna würdigte sie keines Blickes. »Möchten Sie die Unterlagen sehen?« fragte sie, als sie unser Essen hinstellte. Sie setzte sich. Ich kannte Anna gut genug, um sicher zu sein, daß sie keine Details aus den Therapiestunden darin festhielt. Angehörige meines Metiers sind gesetzlich berechtigt, medizinische Protokolle einzusehen, und diese werden gegebenenfalls auch dem Gericht vorgelegt. Menschen wie Dr. Zenner waren zu klug, um Vertrauliches schriftlich festzuhalten.
»Ich würde vorschlagen, Sie geben mir eine Übersicht über Jills Krankheitsbild«, sagte ich.
»Meine Diagnose lautete "soziale Anpassungsstörung"«, erklärte sie.
Ebenso vage wäre es gewesen, wenn ich Jills Todesursache mit "Herzversagen" oder "Atemstillstand" angegeben hätte: Ob jemand erschossen wird oder von einem Zug überrollt - diese Aussage stimmt immer. "Soziale Anpassungsstörung" war ein Schlagwort aus dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders. Es genügte, um die Übernahme der Behandlungskosten seitens der Versicherung zu gewährleisten, ohne eine genauere Definition der Krankheit erforderlich zu machen.
»Die gesamte menschliche Rasse hat soziale Anpassungsstörungen«, versetzte ich.
Sie lächelte traurig.
»Ich respektiere Ihr Berufsethos«, fuhr ich fort. »Und ich habe nicht die Absicht, meine Berichte aufzuwerten, indem ich ihnen Informationen hinzufüge, die Sie als vertraulich betrachten - aber es ist wichtig für mich, alles über Jill zu erfahren, was mir Aufschluß über die Hintergründe ihrer Ermordung liefern könnte. Ob ihre Lebensweise dazu angetan war, sie in Gefahr zu bringen, beispielsweise.«
»Ich respektiere Ihr Berufsethos ebenfalls.«
»Danke. Nachdem wir einander nun unserer gegenseitigen Bewunderung für Integrität und Faimeß versichert
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