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Das fünfte Paar

Das fünfte Paar

Titel: Das fünfte Paar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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geben könnte?«
    »Darüber habe ich intensiv nachgedacht, nachdem es geschehen war. Als ich es in der Zeitung las, konnte ich es zuerst gar nicht glauben. Drei Tage zuvor war Jill noch bei mir gewesen! Ich zermarterte mir mein Gedächtnis, um auf etwas zu kommen, das helfen könnte, den Täter zu fassen. Es fiel mir nichts ein.«
    »Beide hielten ihr Verhältnis geheim?«
    »Ja.«
    »Gab es vielleicht einen jungen Mann, mit dem Jill oder Elizabeth gelegentlich ausgingen - um den Schein zu wahren?«
    »Keine von beiden tat das, soweit ich weiß. Es kann also kein Eifersuchtsdrama gewesen sein - wenn Jill mir nicht etwas verheimlicht hat.« Sie schaute auf meine leere Schale. »Noch etwas Chili?«
    »Danke - ich kann nicht mehr.«
    Anna stand auf, um den Geschirrspüler einzuräumen. Eine Weile schwiegen wir beide. Als sie fertig war, band sie die Schürze ab und hängte sie an einen Haken im Besenschrank. Dann trugen wir unsere Gläser in ihr Arbeitszimmer.
    Ich liebte diesen Raum. Bücherregale bedeckten zwei der Wände, die dritte wurde fast zur Gänze von einem Panoramafenster eingenommen, durch das Anna von ihrem übervollen Schreibtisch aus den Frühling erwachen oder Schnee auf ihren kleinen Garten fallen sehen konnte. Hier hatte ich miterlebt, wie Magnolienblüten ihre porzellanrosa Pracht entfalteten und die letzten Herbstblumen verblühten. Wir hatten über meine Familie gesprochen, über die Scheidung, über Mark, über Kummer und über den Tod. Von dem abgewetzten Ohrensessel aus, in dem ich saß, hatte ich Anna durch mein Leben geführt - so wie Jill Harrington sie durch das ihre.
    »Die beiden waren also ein Liebespaar. Das verbindet sie mit den anderen Paaren und macht die Theorie einer Zufallsbekanntschaft noch unglaubwürdiger.«
    »Da stimme ich Ihnen zu«, sagte Anna.
    »Sie wurden zuletzt im Anchor Bar and Grill gesehen. Hat Jill dieses Lokal je erwähnt?«
    »Nicht namentlich - aber sie erzählte, daß sie gelegentlich in eine Bar gingen, wo es sich gut reden ließ. Manchmal fuhren sie in abgelegene Lokale, wo keiner sie kannte. Zuweilen machten sie auch Ausflüge mit dem Auto - meist, wenn sie wieder in einer Krise steckten.«
    »Angenommen, das war auch an dem bewußten Freitagabend der Fall - halten Sie es für denkbar, daß eine der beiden mit einem Mann geflirtet hat, um die andere zu verletzen?«
    »Ausschließen kann ich es natürlich nicht«, antwortete Anna, »aber es würde mich sehr überraschen: Ich hatte nie den Eindruck, daß Jill und Elizabeth Spielchen miteinander trieben. Ich neige eher zu der Vermutung, daß sie intensiv diskutierten und nichts um sich herum wahrnahmen.«
    »Jemand in der Nähe könnte sie belauscht haben.«
    »Das riskiert man immer, wenn man in der Öffentlichkeit Privatgespräche führt - darauf habe ich Jill mehrfach hingewiesen.«
    »Wenn sie solche Angst hatte, daß das Verhältnis bekannt werden könnte - weshalb ging sie dieses Risiko dann ein?«
    »Jills Willenskraft war nicht sehr stark, Kay.« Anna trank einen Schluck Wein. »Wenn Elizabeth und sie allein waren, brachte sie es nicht über sich, sie zurückzuweisen. Sie sanken einander in die Arme, weinten, trösteten einander - und wieder wurde keine Entscheidung getroffen.«
    Das kam mir bekannt vor: Wann immer Mark und ich eine Diskussion hatten - gleichgültig, ob bei ihm oder bei mir -, landeten wir unweigerlich im Bett. Danach ging einer von uns nach Hause, und die Probleme blieben ungelöst.
    »Anna - haben Sie je die Möglichkeit erwogen, daß das Verhältnis der beiden der Grund für ihre Ermordung sein könnte?« fragte ich.
    »Nein. Meiner Ansicht nach hätte es sie sogar schützen müssen: Man sollte doch meinen, daß eine Frau, die in einer Bar auf Männerfang geht, gefährdeter sei als zwei junge Frauen, die nicht im mindesten daran interessiert sind, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.«
    »Kehren wir zu ihren Lebensumständen und Gewohnheiten zurück«, bat ich.
    »Sie wohnten im selben Apartmentblock, aber in verschiedenen Wohnungen - um keinen Verdacht zu erregen. Es war sehr praktisch: Sie konnten nach außen hin getrennte Wege gehen und sich spätabends in Jills Wohnung treffen: Sie zog es vor, bei sich zu Haus zu bleiben, um Fragen ihrer Familie oder von Freunden zu vermeiden, die unweigerlich gekommen wären, wenn man sie immer wieder vergeblich zu erreichen versucht hätte.« Sie dachte eine Weile nach. »Dill und Elizabeth waren körperlich durchtrainiert. Sie joggten

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