Das fünfte Verfahren
unter dem schokoladenbraunen Hut hervor. Den Revolver in seiner Hand
hatte ich mir nicht eingebildet, doch er diente nur zu Dekorationszwecken.
Erleichtert seufzte ich auf. Ich hatte
zwar nicht völlig vergessen, daß der Mann dort eine kleine Reise in den Süden
hatte unternehmen wollen; aber andere Ereignisse hatten ihn aus meinem Kopf
verdrängt.
„Na, Florimond“, sagte ich lächelnd,
„wie geht’s?“
12
Reisen bildet
Kommissar Faroux steckte den Revolver
in die Tasche seines Raglanmantels.
„Was tun Sie hier, Burma?“ fragte er
unvermittelt.
„Nanu“, erwiderte ich erstaunt, „ist
das die höfliche Art, einen Toten zu begrüßen? Wissen Sie denn nicht, daß
Gespenster stets an den Ort ihrer Verbrechen zurückkehren?“
„Gespenster oder nicht, wir werden uns
wohl unterhalten müssen. Und keine Ammenmärchen! Sie kommen mir grade recht.
Setzen Sie sich.“
Er rief etwas in den Korridor und trat
in den Salon. Über uns hörte man Schritte, und kurz darauf standen zwei weitere
Männer im Raum. Der eine war kräftig gebaut und käseweiß im Gesicht, der andere
eher schmächtig, sein Teint dafür jedoch gesund wie Honigkuchen. Beiden sah man
den Flic von weitem an.
„Ich möchte Ihnen den berühmten
Dynamit-Burma vorstellen, Messieurs“, stellte Faroux mich vor. „Mein lieber
Nestor, dieser Herr...“, er zeigte auf das Honigkuchengesicht, „ist Bonvalet
von der örtlichen Polizei. Und das ist Inspektor Grégoire, einer meiner Leute
aus Paris. Sie haben ihn sicher schon öfter mit mir zusammen gesehen. Wir sind
nach Marseille gekommen, um zu ergründen, was die Deutschen an dem Fall Sdenko
Matitch so sehr fasziniert.“
„Sehr angenehm, Messieurs.“ Ich
deutete eine Verbeugung an. Dann wandte ich mich wieder Faroux zu: „Mein
Kompliment, Frau Baronin! Sie sind eine vollendete Gastgeberin. Und was spielen
wir nun? Das Kartenspiel Belote ?“
Der Kommissar warf mir einen drohenden
Blick zu. „Schluß mit dem Theater, Burma“, knurrte er. „Wahrscheinlich wollen
Sie mir weismachen, daß der Zufall Sie hierhergeführt hat, daß Sie eine Villa
mieten möchten oder Schmetterlinge gefangen haben. Ihr übliches
Sand-in-die-Augen-Streuen! Aber schreiben Sie sich das hinter die Ohren: Ohne
mich! Sie saßen in dem Zug, in dem der Kroate ermordet wurde. Sie kamen beide
aus Marseille. Sie sahen sich ähnlich... Ja, ja, mehr oder weniger, ich weiß.
Und heute überrasche ich Sie in dem Haus einer Frau, die mit Matitch Kontakt
hatte...“
„Ach!“ rief ich erstaunt. „Die beiden
kannten sich?“ Faroux zuckte die Achseln.
„Als ob Sie das nicht wüßten... Reden
wir nicht um den heißen Brei herum. Ich bin aus ganz bestimmten Gründen hier,
auch wenn ich keinen offiziellen Auftrag habe. Ich arbeite sozusagen für die
Zukunft.“
Und er faselte etwas vom Vaterland,
von höheren Interessen und heiliger Pflicht. Man hätte meinen können, wir säßen
in einem Abendkurs für Staatsbürgerkunde. Dann wechselte er plötzlich die
Platte.
„Ich werde keine Skrupel haben“,
erklärte er unbarmherzig. „Die Situation erlaubt es nicht. Und Sie, Burma,
können Licht ins Dunkel bringen. Das sagt mir meine Intuition. Ich rate Ihnen
also, reden Sie aus freien Stücken.“
„Reden macht durstig“, gab ich zu
bedenken. „Was hätten Sie mir anzubieten?“
„Wie wär’s mit ‘ner Runde... Boxen?“
schlug der Schwerathlet Grégoire mit bedeutungsvollem Grinsen vor.
„Aber, aber, wer wird denn gleich so
böse werden?“ sagte ich beschwichtigend. „Danach sehen Sie doch alle drei nicht
aus.“
So ganz war ich allerdings nicht davon
überzeugt.
„Sie wissen noch gar nicht, wie böse
wir werden können“, erwiderte Faroux. „Wenn Sie uns nicht an Ihrer Weisheit
teilhaben lassen wollen, sind Sie für uns gestorben...“
Er lachte über seinen makabren Scherz.
„Oder wissen Sie nicht, daß die
Deutschen Sie überall suchen?“
Ich gab keine Antwort, sondern stopfte
langsam meine Pfeife.
„Tja“, sagte ich nach kurzem inneren
Kampf. „Ich glaube, wir sollten nach einer Einigung suchen.“
„Bin ganz Ihrer Meinung.“
„Möchte wissen, wann wir endlich
aufhören, uns wie Kinder zu streiten“, bemerkte ich nachdenklich.
„Wenn Sie sich entschließen, Vernunft
anzunehmen.“
„Das habe ich doch schon“,
protestierte ich. „Sie sind es, der keine Vernunft annehmen will.“
„Ach nee!“
„Ja. Sie machen eine Staatsaffäre aus
dem, was ich angeblich weiß. Wenn ich Ihnen
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