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Das fünfte Verfahren

Das fünfte Verfahren

Titel: Das fünfte Verfahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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der sich vorzüglich als Beobachtungsposten eignete.
Covet machte mich unauffällig auf den Gast aufmerksam, der mich interessierte.
    Außer seinem roten Gesicht erregte
nichts an dem Mann Aufsehen. Wenn er nicht ganz in das Verschlingen seiner
Mahlzeit vertieft war, betrachtete er beinahe zärtlich das Bier, das neben
seinem Teller stand. Gesamteindruck: friedlich wie ein Rindvieh. Sein neutraler
Anzug stammte noch aus der Vorkriegszeit. Der friedliche Esser hatte blondes
Haar, straff nach hinten gekämmt, und einen Ansatz von Schnäuzer.
    Er trank, stellte das Glas wieder auf
den Tisch und blickte sich unschuldig im Saal um. Unschuldig! Von wegen! Seine
blauen Augen waren durchdringend. Einer Temperatur von minus 40 Grad hätten sie
ohne weiteres standgehalten. Kurz und gut, trotz seines eher ungezwungenen
Benehmens war er genauso leicht zu handhaben wie ein U-Boot an der
Atlantikküste von einem Minderjährigen. Plötzlich schoß es mir durch den Kopf,
daß ich den Kerl schon mal irgendwo gesehen hatte. Nur anders gekleidet und mit
Brille, was ihm ein völlig anderes Aussehen verliehen hatte. Um meine
Bestürzung zu verbergen, bückte ich mich und überprüfte den Zustand meiner
Schnürsenkel.
    Der neue Gast war... Otto Dingsbums...
Jawohl, Otto Rotkartoffel! Der nette Herr, der mich einsperren lassen wollte,
nachdem er es für vorteilhaft erachtet hatte, mich für tot zu erklären...
    Mein Mörder, in gewisser Weise!
     
    * * *
     
    Wir hielten uns nicht zu lange im
Hotelrestaurant auf. Ich legte keinen besonderen Wert darauf, von dem deutschen
Flic erkannt zu werden. Vielleicht war das ja auch schon passiert. Er schien
seine Augen nicht in der Hosentasche zu haben. Aber dort, wo ich saß, hatte er
mich möglicherweise noch nicht entdecken können. Jedenfalls ließ nichts in
seinem Verhalten darauf schließen, daß Rotkartoffel wußte, wer mit ihm in einem
Raum speiste.
    Zurück in Marcs Zimmer, erklärte ich
dem Journalisten, was er zu tun hatte.
    „Ich wüßte gerne, was die Polizei von
dem Fall Maillard-Paulot hält“, sagte ich. „Durch Ihre engen Beziehungen werden
Sie das doch wohl rauskriegen. Punkt eins der Tagesordnung ist allerdings die
Beschattung des Rotgesichtes, des Mannes, den wir eben im Restaurant gesehen
haben. Wenn er das Hotel verläßt, nichts wie hinterher! Hier, die Telefonnummer
der Vielfrucht, falls Sie mir dringend was zu erzählen haben. Sollten
Sie mich dort nicht erreichen, tun Sie, was Sie für richtig halten. Nicht sehr
straff, die Organisation unserer Zusammenarbeit, doch im Augenblick sehe ich
keine andere Möglichkeit. Und machen Sie nicht so ein skeptisches Gesicht! Ich
versichere Ihnen, das gibt einen Wahnsinnsbericht, wenn die Presse wieder frei
berichten darf...“
    „Woraus schließen Sie das?“ fragte
Marc. „Im Moment sieht die Sache nicht anders aus als alle anderen Abenteuer,
die wir zusammen bestanden haben. Nur daß sie etwas gefährlicher ist, wegen der
Deutschen.“
    „Die Briefe, Alter, die Briefe! Ich
weiß nicht mehr, was genau drinstand, aber alle scheinen verrückt nach ihnen zu
sein. Bringen sich der Reihe nach um!“
    „Sicher, aber man müßte sie erst mal
haben, die Briefe, damit sich das Spielchen lohnt. Wissen Sie, wie man
drankommen könnte? Vielleicht hat sie jemand in Ihrer Krawatte versteckt..
    Ich mußte über seinen sarkastischen
Ton lachen, worauf er mir einen schrägen Seitenblick zuwarf und mißtrauisch
brummte:
    „Sie verheimlichen mir was!“
    Ich nickte geheimnisvoll.
    „Was das ist, brauche ich Sie wohl
nicht zu fragen, hm?“ vermutete er.
    „Völlig überflüssig! Wenn ich’s doch
vor mir selbst geheimhalte...“
    Marc platzte der Kragen.
    „Das wird ja immer besser!“ rief er.
„Geheimnis hoch zwei?“
    „Mindestens. Ich könnte es mir selbst
genausowenig eingestehen wie... wie einem Priester.“
    „Einem was?“ Meinem Freund blieb der
Mund offenstehen. „Was haben Sie mit einem Priester zu tun? Oder ein Priester
mit der Sache?“
    „Diese Gottesleute sind manchmal nicht
so schlecht wie ihr Ruf. Vielleicht würde mich so einer besser verstehen...“
    „Nun, dann will ich Ihnen mal was
sagen, was ein Priester Ihnen bestimmt nicht sagen würde: Sie sind ‘n komischer
Heiliger, Burma! Ich muß es schließlich wissen, nach so vielen Jahren... Aber
genug gequatscht, ich geh jetzt runter und paß auf, daß der Vogel nicht
wegfliegt.“
    Ich verabschiedete mich. Mit meinen
Andeutungen hatte ich ihn dorthin gebracht, wo ich

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