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Das fünfte Verfahren

Das fünfte Verfahren

Titel: Das fünfte Verfahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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gegeben haben,
die sich prima in der Hotelbar besaufen konnten. Ich sprech aus Erfahrung.“
    „Genau das haben wir gemacht“, gestand
er und verzog das Gesicht.
    Er ging ins Badezimmer. Ich hörte ihn
mit Wasser plätschern.
    „Wir fahren sofort wieder zurück nach
Paris“, rief er mir zu. „Spesengeld ist dazu da, um ausgegeben zu werden...
Zwölf volle Stunden haben wir uns in der Bar an der Theke festgehalten, von
sieben bis sieben!“
    Etwas frischer kam er zu mir zurück.
Kragen und Hemdbrust waren naß, er trocknete sich das Gesicht mit einem
Handtuch ab.
    „Sehr interessant“, bemerkte ich.
„Haben Sie mitgekriegt, daß neue Gäste angekommen sind?“
    Er sah mich listig an.
    „Sie sollten was gegen meinen Kater
unternehmen, Burma! Der Tip mit dem Wasser taugt nicht viel. Ein Pastis würde
mir schon eher auf die Beine helfen... und vielleicht auch meinem Gedächtnis.“
    Er machte mir Freude mit seinem
lauernden Gesicht! „Schon gut, Alter“, sagte ich resignierend. „Kann man sich
hier was aufs Zimmer bestellen?“
    Statt einer Antwort drückte der trinkfreudige
Journalist auf einen Knopf. Kurz darauf erschien der Boy.
    „Zwei Spezial“, bestellte Marc.
    Der Boy verschwand, um mit den zwei Pastis zurückzukommen.
    „Auf Ihr Spezielles, Burma!
Hoffentlich bringt uns das Zeug nicht um.“
    „Es gibt gefährlichere Dinge im
Leben“, philosophierte ich. „Und jetzt erzählen Sie mir was über die Neuzugänge
von heute nacht.“
    „Es gab nur einen“, begann Covet.
„Aber der hat einen Wirbel gemacht, der für drei gereicht hätte. Keine Ahnung,
was an der Rezeption los war, als er seinen Zettel ausfüllen mußte. Ein Gesicht
wie’n Steak hatte der. Zum Plattklopfen! Sah aus wie’n Deutscher, aber
garantieren kann ich’s nicht. Alles nur Annahmen und Vermutungen...“
    „Inwiefern hat er einen Wirbel
gemacht?“ wollte ich wissen. „Hatte er Berge von Gepäck bei sich?“
    Marc Covet suchte seine Klamotten
zusammen und begann sich anzukleiden.
    „Nein, nur eine Reisetasche. Aber
rumgescheucht hat er das Personal, ich weiß nicht, weshalb. Und dann wollte er
sofort was zu schreiben haben. Nachdem er schließlich sein Gekritzel in einen
Umschlag gesteckt hatte, wurde ein Boy losgeschickt, um die Nachricht
zuzustellen. So schnell wie möglich, im Affentempo. Und hinterher hat er nicht
mal ‘n anständiges Trinkgeld gegeben. Deswegen waren die Leute ganz schön
sauer. Sind sowieso nicht die schnellsten, hier im Süden... Dafür war der
Deutsche um so flinker. Ist auf sein Zimmer gegangen, aber nicht, um sich
schlafen zu legen. Jedenfalls hab ich ihn später noch mal in der Halle gesehen.
In der Bar war’s verdammt heiß, und ich wollte frische Luft schnappen.“
    „Ich glaube, das ist mein Mann“, sagte
ich zufrieden. „Und jetzt hören Sie mir gut zu, Marc. Ich wollte Sie um was
ganz anderes bitten, aber was Sie mir da erzählt haben... Geben Sie mir eine
weniger oberflächliche Beschreibung von dem Kerl. Und dann versuchen Sie, seine
Zimmernummer rauszukriegen. Außerdem interessiert es mich, für wen die
dringende Nachricht bestimmt war, ob er telefoniert oder Besuch bekommen hat.
Und was er später in der Halle wollte. Ach ja, seinen Namen muß ich natürlich
auch wissen... Zumindest den, den er an der Rezeption angegeben hat.“
    „Sonst nichts?“ fragte Covet ironisch.
    „Im Moment, nein. Später hätte ich da
noch einen oder zwei Aufträge für Sie.“
    „Wie schön! Und nun zu Ihnen!“
    „Zu mir?“
    „Haben Sie mir kein Märchen
versprochen? Wie wär’s mit Tischleindeckdich?“
    „Na gut, stimmt...“
    Ich verschwieg dem Journalisten fast
nichts, so daß er Feuer und Flamme war. Der Tod unseres gemeinsamen Freundes
Frédéric Delan betrübte ihn sehr. Ich fragte ihn, ob er schon mal was von
Victor Fernèse gehört habe. Nein, der Name sage ihm nichts. Und wieder
bedauerte er den armen Fred. Nach einem Blick auf seine Armbanduhr wurde er
jedoch lebhafter.
    „Wenn wir ins Hotelrestaurant gehen,
könnten wir dem Deutschen begegnen“, sagte er. „Das wäre besser als jede
Beschreibung. Sie wissen ja, ich und Personenbeschreibungen...“
    Der Kummer tat Covets Realitätssinn
keinen Abbruch. Der Vorschlag war so gut wie jeder andere, um sich zum Essen
einladen zu lassen. Schon bei seinem Märchenwunsch
    - Tischleindeckdich! — hatte ich
aufgehorcht. Ich unterließ jedoch jeden Kommentar und willigte ein.
    Unten im Speisesaal des Hotels nahmen
wir an einem Tisch Platz,

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