Das fünfte Zeichen
aufgezeichnet wurde. So konn ten sie jedem Objekt, das durch den Eingang kam, bis zu einem der achtzig Zimmer in den Fluren auf den vier Etagen folgen.
Die ganze Nacht über hatten sie gezeichnet, gerechnet und geschraubt, bis die Kameras schließlich an den Wänden hingen. Otto hatte noch immer den metallischen, bitteren Geschmack des trockenen Mörtels im Mund, und eine gelbe Schicht Putz lag wie Schuppen auf den Schultern seiner abgetragenen Jeansjacke.
Waaler hatte schließlich auf die Stimme der Vernunft gehört und eingesehen, dass sie ohne Mikrofone würden auskommen müssen, wenn sie die Deadline einhalten wollten. Tonaufzeic h nungen würden ohnehin nichts zu einer Festnahme beitragen, außer ihnen fehlte es an Beweismaterial –sollte das Objekt überhaupt etwas Interessantes von sich geben.
Leider gab es im Fahrstuhl keine Möglichkeit zu filmen. Der Betonschacht ließ keine Signale nach außen dringen. Im Bus hätten sie von einer schnurlosen Kamera kein brauchbares Bild empfangen. Und Leitungen wären entweder sichtbar gewesen oder Gefahr gelaufen, sich in der Mechanik des Fahrstuhls zu verheddern. Waaler hatte schließlich sein Okay gegeben. Das Objekt würde sich vermutlich ohnehin allein im Fahrstuhl befin den. Den Bewohnern war Schweigepflicht auferlegt worden, und sie hatten den ausdrücklichen Befehl erhalten, die Türen zu verschließen und nachmittags von vier bis sechs in ihren Zimmern zu bleiben.
Otto Tangen bewegte das Mosaik der kleinen Bilder über seine drei Bildschirme und vergrößerte sie, bis sie ein logisches Ganzes ergaben. Auf dem linken Bildschirm: die Flur e R ichtung Norden, ganz zuoberst die vierte Etage, unten das Erdgeschoss. In der Mitte: die Eingangspartie, alle Treppenabsätze und die Eingänge zum Aufzug. Rechts: die Flure nach Süden.
Otto klickte auf Speichern, legte die Hände hinter den Kopf und lehnte sich mit einem zufriedenen Grunzen zurück. Er überwachte ein ganzes Gebäude. Voll junger Studenten. Hätten sie mehr Zeit gehabt, hätte er vielleicht auch in einigen der Zimmer Kameras installieren können. Natürlich ohne das Wissen der Bewohner. Winzige Fisheyes an Stellen, an denen sie niemals entdeckt worden wären. Zusammen mit russischen Mikrofonen. Geile, junge Schwesternschülerinnen aus Norw e gen. Er hätte das aufzeichnen und an seine Kontaktleute verkau fen können. Verflucht sei dieser blöde Waaler. Wie zum Teufel hatte der von Astrup und der Scheune in Asker wissen können? Ein Gedanke war kurz durch Ottos Kopf geflattert, hatte sich dann aber wieder verflüchtigt. Er hatte schon lange den Ve r dacht, dass jemand schützend die Hand über Astrup und dessen Operationen hielt.
Otto zündete sich eine Zigarette an. Die Bilder glichen Stills. Nicht eine Bewegung auf den gelben Fluren oder den Treppe n absätzen verriet, dass es sich um eine Direktübertragung handel te. Wer jetzt im Sommer im Wohnheim war, schlief bestimmt noch. Doch in ein paar Stunden würde er vielleicht den Typ wieder zu Gesicht bekommen, der gegen zwei Uhr in der Nacht mit diesem Mädchen in Zimmer 303 verschwunden war. Sie hatte ziemlich betrunken ausgesehen. Betrunken und willig. Er hingegen nur willig. Otto musste unwillkürlich an Aud Rita denken. Das erste Mal hatte er sie an einem Abend bei Nils getroffen. Da hatte der bereits seine fetten Hände auf ihr, während sie Otto die eigene kleine weiße Hand entgegeng e streckt und » Aud Rita « gepiepst hatte.
Otto seufzte laut.
Dieser Waaler war mit seinen Bereitschaftstruppen bis gegen Mitternacht da gewesen, und Otto hatte die Diskussion zwischen ihm und dem Leiter der Bereitschaft hören können, als sie kurz vor seinem Bus stehen blieben. Später sollten Leute vom Ein satzkommando eintreffen und jeweils zu dritt in den innersten Wohnungen eines jeden Flurs in Stellung gehen. Insgesamt vierundzwanzig schwarz gekleidete Einsatzkräfte, mit Stur m hauben, geladenen MPs, Tränengas und Gasmasken. Auf ein Signal aus dem Bus würden sie losschlagen, sobald das Objekt an eine Tür klopfte oder in eines der Zimmer einzudringen versuchte. Allein bei dem Gedanken daran zitterte Otto vor Erwartung. Er hatte sie schon zweimal in Aktion erlebt. Diese Jungs waren wirklich unglaublich. Die ballerten und warfen mit Licht um sich wie eine Heavy-Metal-Band, und in beiden Fällen waren die Zielobjekte derart gelähmt gewesen, dass das Ganze innerhalb von Sekunden vorbei gewesen war. Man hatte Otto erklärt, genau das sei das Ziel. Das
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