Das fünfte Zeichen
bedroht. Du hast Beate bei der Mutter in der Küche gelassen, und dann laut gesprochen. Damit sie später bezeugen konnte, dass du aus Notwehr gehandelt hast. Doch Beate kam zu früh in den Flur, und aus deinem Plan wurde nichts. «
Waaler seufzte. » Wir räumen auf, Harry. So wie du diesen Mörder in Sydney aus dem Weg geräumt hast. Die Gesetze funktionieren nicht, sie wurden für eine andere, eine unschuld i gere Zeit gemacht. Und solange sie nicht geändert sind, werden wir es nicht zulassen, dass die Stadt von Kriminellen überno m men wird. Aber das wirst du sicher verstehen. Du siehst das ja täglich aus nächster Nähe. «
Harry studierte die Glut seiner Zigarette. Dann nickte er. » Ich will mir einfach nur ein Bild machen, das ganze Bild «, sagte er.
» Okay, Harry. Hör mir zu. Sven Sivertsen wird auch morgen Nacht im Untersuchungsgefängnis sitzen. Bis Montagmorgen. Dann erst wird er in den Sicherheitstrakt des Gefängnisses in Ullersmo verlegt, wo wir keinen Zugriff mehr auf ihn haben. Der Schlüssel für Zelle neun liegt hinterm linken Empfang s tisch. Du hast morgen bis Mitternacht Zeit, Harry. Dann werde ich im Untersuchungsgefängnis anrufen und bestätigt beko m men, dass der Fahrradkuriermörder seine verdiente Strafe erhal ten hat. Verstanden? «
Harry nickte wieder.
Waaler lächelte. » Weißt du was, Harry? Obwohl ich froh bin, dich endlich in meiner Mannschaft zu haben, tut es einem kleinen Teil von mir fast Leid. Und weißt du, warum? «
Harry zuckte mit den Schultern. » Weil du geglaubt hast, dass es Sachen gibt, die man für Geld nicht kaufen kann? «
Waaler lachte. » Der war gut, Harry. Nein, weil ich das Gefühl habe, einen guten Feind verloren zu haben. Wir sind uns ähn lich, du und ich. Du weißt, wovon ich rede, nicht wahr? «
» Ist es nicht wunderbar, jemanden zu haben, den man hassen kann? «
» Was? «
» Michael Krohn. Von den Raga Rockers. «
» Vierundzwanzig Stunden, Harry. Viel Glück. «
TEIL V
KAPITEL 32
Sonntag. Schwalben
R akel betrachtete sich im Schlafzimmerspiegel. Das Fenster stand offen, so dass sie Autos oder Schritte auf dem Kies der Einfahrt bemerken würde. Sie warf einen Blick auf das Bild ihres Vaters auf dem Schminktisch vor dem Spiegel. Es übe r raschte sie jedes Mal, wie jung und unschuldig er auf dem Foto aussah.
Sie hatte ihr Haar wie üblich mit einer einfachen Spange hochgesteckt. Sollte sie es anders tragen? Das Kleid stammte noch von ihrer Mutter. Ein rotes Musselinkleid, das sie hatte umnähen lassen. Sie hoffte, das war nicht overdressed. Als sie klein war, hatte ihr Vater oft erzählt, wie er Mutter zum ersten Mal in diesem Kleid gesehen hatte, und Rakel war es nie leid geworden, die Geschichte zu hören. Es war wie im Märchen gewesen.
Rakel löste die Haarspange und schüttelte den Kopf, so dass ihr die schwarzen Haare ins Gesicht fielen. Es klingelte an der Tür. Sie hörte Oleg unten durch den Flur laufen, seine aufgere g te Stimme und Harrys leises Lachen. Dann warf sie einen letzten Blick in den Spiegel. Spürte ihr Herz schneller schlagen. Sie ging durch die Tür.
» Mama, Harry ist ge … « Oleg verstummte abrupt, als er Rakel erblickte. Vorsichtig stellte sie einen Fuß auf die oberste Trep penstufe. Auf den hohen Absätzen fühlte sie sich plötzlich wacklig und unsicher. Doch dann fand sie ihr Gleichgewicht wieder und hob den Blick. Oleg stand am Fuß der Treppe und starrte sie an, Harry neben sich. Harrys Augen glänzten, und es schien ihr, als brannte sein intensi ver Blick ein Loch in ihre Wange. In der Hand hielt er einen Strauß Rosen. » Du siehst toll aus, Mama «, flüsterte Oleg.
R akel schloss die Augen. Beide Scheiben waren heruntergeku r belt, und der Wind strich ihr über Haut und Haar, während Harry den Escort vorsichtig durch die Kurven vom Holmenkol låsen ins Tal steuerte. Das Auto roch schwach nach Putzmittel. Rakel klappte den Sonnenschutz runter, um den Lippenstift nachzuziehen. Sogar der kleine Spiegel auf der Innenseite war geputzt.
Sie musste lächeln und erinnerte sich an ihre erste Begegnung. Er hatte sich angeboten, sie zur Arbeit zu fahren, und sie hatte ihm helfen müssen, das Auto anzuschieben.
Unglaublich eigentlich, dass er noch immer dasselbe schrot t reife Auto fuhr.
Sie musterte ihn aus dem Augenwinkel.
Der gleiche scharfe Nasenrücken. Und die gleichen vollen, fast femininen Lippen, die im Kontrast zu seinen harten, männlichen Zügen standen. Und die Augen. Man konnte
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