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Das fünfte Zeichen

Titel: Das fünfte Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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ihn kaum als schön bezeichnen, nicht im klassischen Sinne. Aber er hatte –wie sagte man? –einen Charakterkopf. Charakter. Und das hatte er den Augen zu verdanken. Nein, nicht den Augen. Dem Blick.
    Er wandte sich zur Seite, als hätte er ihre Gedanken gehört.
    Er lächelte. Und da war sie. Diese kindliche Weichheit in sei nem Blick, als versteckte sich in ihm ein kleiner Junge, der sie anlachte. Er hatte etwas Unverstelltes. Eine unverdorbene Auf richtigkeit. Ehrlichkeit. Integrität. Das war der Blick eines Men schen, dem man vertrauen konnte. Oder vertrauen wollte.
    Rakel erwiderte das Lächeln.
    » An was denkst du? «, fragte er und musste wieder auf die Straße blicken.
    » Dies und das. «
    Sie hatte in der letzten Woche viel Zeit zum Nachdenken gehabt. Zeit genug einzusehen, dass Harry ihr niemals etwas versprochen und nicht gehalten hatte. Er hatte ihr zu keinem Zeitpunkt versprochen, nicht wieder rückfällig zu werden. Er hatte nicht versprochen, dass seine Arbeit nicht weiterhin das Wichtigste in seinem Leben sein würde. Er hatte nie verspr o chen, dass es einfach werden würde. All das waren Verspre chungen, die sie sich selbst zurechtgelegt hatte. Das wusste sie jetzt.
    Olav Hole und Søs standen schon wartend in der Tür, als sie zum Haus in Oppsal kamen. Harry hatte so oft davon erzählt, dass Rakel beinahe das Gefühl hatte, selbst in diesem kleinen Haus aufgewachsen zu sein.
    » Hallo, Oleg «, sagte Søs und sah erwachsen aus wie eine große Schwester. » Wir haben Brötchenteig gemacht. «
    » Echt? « Ungeduldig drückte Oleg gegen die Rückenlehne vor sich, um auszusteigen.
    Auf dem Weg in die Stadt lehnte Rakel ihren Kopf an den Sitz und sagte, sie finde, er sehe gut aus, aber er solle sich nichts darauf einbilden. Harry antwortete, er finde sie schöner und seinetwegen dürfe sie sich ruhig alles Mögliche darauf einbi l den.
    Als sie zum Hang am Ekeberg kamen und die Stadt unter sich daliegen sahen, schnitten Vögel schwarze Vs in die Luft.
    » Schwalben «, sagte Harry.
    » Die fliegen tief «, sagte sie. » Bedeutet das nicht, dass es bald regnet? «
    » Doch. Sie haben Regen angekündigt. «
    » Oh, das wird gut tun. Fliegen die, um uns das anzukünd i gen? «
    » Nein «, sagte Harry. » Die haben einen wichtigeren Job. Sie räumen die Insekten aus der Luft. Schädlinge und so. «
    » Aber warum haben sie es so eilig? Die wirken ja vollkommen hysterisch. «
    » Weil sie nur wenig Zeit haben. Die Insekten sind jetz t u nte r wegs. Wenn die Sonne untergeht, muss die Jagd beendet sein. «
    » Ist dann die Jagd vorüber? Meinst du? «
    Sie drehte sich zu ihm.
    Er starrte abwesend nach vorn.
    » Harry? «
    » Du hast Recht «, sagte er. » Ich war in Gedanken. «
    Das Premierenpublikum hatte sich auf dem jetzt schattigen Platz vor dem Nationaltheater versammelt. Promis unterhielten sich mit Promis, während Journalisten herumschwirrten und die Kameras surrten. Neben Gerüchten um die eine oder andere Sommeraffäre hatten alle das gleiche Gesprächsthema: die gestrige Festnahme des Fahrradkuriermörders.
    Harrys Hand lag leicht auf Rakels Rücken, als sie auf den Eingang zusteuerten, sie spürte die Wärme seiner Fingerkuppen durch den dünnen Stoff. Ein Gesicht tauchte vor ihnen auf.
    » Roger Gjendem, Aftenposten. Entschuldigen Sie, aber wir machen eine Umfrage. Wie finden Sie es, dass der Entführer der Frau, die eigentlich die Hauptrolle in diesem Stück spielen sollte, endlich gefasst ist? «
    Sie blieben stehen, und Rakel fühlte, wie plötzlich die Hand von ihrem Rücken verschwand.
    Das Lächeln des Journalisten saß, doch sein Blick flackerte unstet: » Wir haben schon einmal miteinander gesprochen, Herr Hole. Im Zusammenhang mit einem anderen Kriminalfall. Wir hatten ein paar Mal miteinander zu tun, nachdem Sie wieder aus Sydney zurück waren. Sie haben einmal gesagt, ich sei der einzige Journalist, der Sie korrekt zitiert hat. Erinnern Sie sich? «
    Harry blickte Roger Gjendem nachdenklich an. Dann nickte er.
    » Hmm. Haben Sie mit Kriminalfällen aufgehört? «
    » Nein, nein! « Der Journalist schüttelte energisch den Kopf. » Ich bin nur als Ferienvertretung eingesprungen. Könnte ic h w ohl einen Kommentar vom Polizisten Harry Hole beko m men ? «
    » Nein. «
    » Nein? Nicht einmal ein paar Worte? «
    » Ich meine, nein, ich bin kein Polizist «, sagte Harry.
    Der Journalist sah ihn überrascht an. » Aber ich habe Sie doch … «
    Harry schaute sich rasch um, dann beugte

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