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Das Gastgeschenk der Transsolaren

Das Gastgeschenk der Transsolaren

Titel: Das Gastgeschenk der Transsolaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Leman , Hans Taubert
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sich in gelbes Gewusel löste – ohne Rest. Im gleichen Moment stoben die rennenden Korpuskeln – des statischen Zentrums beraubt – zielsicher und in rasanter Fahrt davon. Ehe sich Sant versah, waren sie zwischen den steinernen Säulen verschwunden und ließen nur eine Wolke aromatischen Dunstes zurück. Sant gedachte, behende hinterherzustürzen, aber sein Wollen übertraf die Bereitschaft der steifen Glieder bei weitem. Stolpernd gewann er vorerst nur einige Meter. Als er jedoch zwischen den Pfeilern hindurch spähte, gewahrte er in mäßiger Ferne einen purpurnen Teppich. Still lag er am Boden, mitten im hellen Schein beider Sonnen und von keinem Schatten bedroht – sein Teppich, denn als er dort ankam, sah er, wie eben die letzten der winzigen gelben Gebilde in ihm einschmolzen.
      Wir meinen immer, unsere Einbildungskraft könnte fliegen, dachte er kopfschüttelnd, an feste Geleise ist sie gebunden! Wann sollen wir der Spur vertrauen? Wann sollen wir uns kühn über sie erheben? Niemand weiß das. Die Bilder, die unsere Phantasie malt, bleiben ärmlich im glänzenden Licht der Welten.

    Dann machte er sich auf den Weg zurück zur Station, denn seine Zeit war bemessen.

    Zwischenfall

    Unablässig fraßen sich die überbreiten Stachelketten in die weiße Wüste. Das Mahlen des Getriebes ließ den Stahlkoloß vibrieren. Kilometerweit markierte die schmutzige blaue Dunstfahne der Abgase den Weg des Schleppzuges. Ab und an stoben Funkenschwärme glimmender Ölkohle über den Schnee, und die Partikel glühten noch einmal kurz auf, bevor sie in die Eiskristalle einsanken und in kleinen Schmelzwassertröpfchen ertranken.
      Der Zweihunderttonner kam gut voran, obwohl drei Lastschlitten vom Ausmaß mittlerer Schleppkähne an der Kupplung rissen. Aber hier erstreckte sich die antarktische Hochebene über Dutzende von Kilometern glatt wie ein Tisch, und nur selten reckten einsame Nunatakker ihre schwarzen Felswände wie Riffe aus dem weißen Meer. Das kalte Funkeln der Gestirne erhellte kaum die Nacht, die schon vor Tagen den letzten schwachen Dämmerschein der Sonne verschluckt hatte.
      »Immerhin gute siebenundvierzig Grad minus.« Professor Kuslow, die starke Brille hoch auf die Stirn geschoben, rieb mit beiden Händen ausgiebig Augen und Schläfen, wobei er kräftig gähnte. Dann stopfte er umständlich die unvermeidliche Pfeife und setzte nicht ohne innere Anteilnahme und gehöriges Schmauchen den honiggelben Krüllschnitt in Brand. »Pyromaner Glaziologe«, bespöttelte er sich selbst augenzwinkernd, lehnte sich bequem in das Polster zurück und wandte den Blick seinem Nebenmann zu, der ihn schon manches Mal sicher zur Station gebracht hatte.
      »Während meiner letzten Fahrt kamen wir auf minus dreiundsechzig Grad. Im Juni!« Warp stützte sich mit dem Ellbogen auf das Armaturenbrett und starrte auf die drei blauweißen, meterdicken Strahlenbalken der Lichtwerfer, die vor den Fahrzeugen eine gleißende Schlucht in die Polarnacht schnitten.
      »Professor«, meldete er sich nach längerer Pause, »macht Ihnen diese Kutscherei wirklich solchen Spaß? Zugegeben, die ersten Fahrten sind interessant, aber allmählich ist mein Bedarf an Feinfrost gedeckt.«
      Kuslow antwortete nicht sofort. »Ihr jungen Kerle habt keine Spur Romantik im Leibe«, sagte er dann und wurde fast heftig. »Mann! Was hätte ich in deinem Alter dafür gegeben, einen solchen Kurs mitfahren zu dürfen! Jetzt, mit meinen dreiundsechzig Jahren, jetzt, wo mich eine Stunde Fußmarsch alle Puste kostet, jetzt kurve ich hier herum. Leider. Aber dennoch – jede Fahrt ist ein Erlebnis – wie eine Reise in Träume, die verdammt weit zurückliegen, in unvergessene Träume. Klingt sentimental, ist aber so.«
      »Romantik!« Warp lachte kurz auf. Es war spöttisch gemeint, drückte aber Unsicherheit aus. »Und Träume! Vor vier Jahren hatte ich mich für Orbitaldienst gemeldet. Die ersten Trainingsstufen hielt ich auch durch, aber dann baute ich ab. Dort haben sie uns das Träumen ausgebügelt.«
      »Verstehe ich nicht«, brummte Kuslow. »Hast du eigentlich schon einmal den Sternenhimmel gesehen? Oder sind das für dich nur Gasbälle verschiedener Spektraltypen?«
      »Was sonst?« Warp starrte unverwandt auf das gleißend weiße Band, das sich ihnen entgegenwälzte.
      »Hast du Augen im Kopf oder Objektive?« fragte Kuslow ungehalten, »wenn ich lange den Himmel beobachte, dann ist mir oft – für Sekunden nur –, als ob

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