Das Gastgeschenk der Transsolaren
kosmischen Freund gern berührt. Zwar würde die Haut des Skaphanders den Gewinn an Information arg schmälern; Härte, Plastizität, Rauheit und so manches wäre immerhin herauszubekommen, und vor allem, was der wohl täte. Aber gerade das stimmte ihn zaghaft, denn er hatte seine Erfahrungen.
Übrigens kam ihm jener zuvor.
Zwischen den optischen Organellen sproßten neue Tentakel. Sie zogen sich gelblich und bindfadendünn zu beträchtlicher Länge und endeten in einem winzigen Scheibchen. Immer mehr solcher Bildungen – wohl einige hundert – entwuchsen dem Körper, dessen Substanz unversehens abnahm bis auf einen unbedeutenden Rest. So glich das Ganze bald einer unmäßig großen Aktinie, wie sie Sant in zierlicher Form von den heimischen Meeren her kannte. Der Eindruck erreichte verblüffende Echtheit, denn der Schopf gelblich transparenter Fäden wogte rhythmisch hin und her, als werde er von imaginären Wassern sanft bewegt. Dann neigten sich ihm die Tentakel mehr und mehr zu, als würden sie von seiner Gestalt angelockt. Sie waren sichtlich bestrebt, ihn zu berühren. Aber Sant kämpfte schon wieder mit einem Schwall beizenden Atems, der dem wandelbaren Gebilde eben entwichen war. Tränenden Auges sah er die dünnen Enden verschwommen und in beunruhigender Nähe vor seiner Helmscheibe schwanken und ließ es beklommen geschehen, daß sich die ersten Scheibchen tastend und wie suchend seinem Skaphander anlegten.
Plötzlich, als sei ein Bann gebrochen, sah er sich in Sekundenschnelle von zahllosen Fäden völlig umsponnen.
So geht es mir oft, sagte sich Sant, als sein Herz wieder schlug, und er erinnerte sich manch fatalen Fehltritts; denn er neigte dazu, die Dinge in gutmütiger Neugier allzu nahe an sich herankommen zu lassen.
Er hatte keine Gelegenheit zu beweisen, daß er nicht bei resignierender Einsicht verharren wollte und Manns genug war zu tatenfrohem Protest. So geschwind er eingehüllt worden war, ebenso überraschend war er wieder frei: Als verwelkten sie, fielen die Fäden kraftlos von ihm ab. Einen Moment lang lag vor ihm ein Haufen wirren Geschlings, unordentlich und wie tot, in üblem Kontrast zum harmonisch lebendigen Wogen vor kurzen Minuten.
Sant nutzte die Freiheit und setzte die Filmkamera wieder in Gang, zur rechten Zeit, denn wunderbar schmolz das unerfreuliche Knäuel zusammen und wölbte sich auf zur Säule, die ihm schon vertraut war. Doch fehlte ihr jetzt anscheinend die Spannkraft, ihre mineralischen Vorbilder wirkungsvoll nachzuahmen. Müde dahinsinkend, flachte sie zunehmend ab.
Sant beobachtete scharf.
Die beiden Sonnen hatten ihre Kreisbahn am Himmel fortgesetzt, der lichte Fleck am Boden war nur noch klein, und ein steinerner Pfeiler warf grünlichen Kernschatten über das Geschöpf. Dem schien es entrinnen zu wollen. Es strebte ins Helle, das ihm wohl eine Lebensnotwendigkeit war. Mit Dehnen und Wölben, mit Strecken und Winden versuchte es, seinen Körper zwischen die Schatten zu zwängen und mit möglichst großer Fläche dem Lichte hinzubreiten. Sant sah es gleich: Das Unternehmen war aussichtslos, denn der hell beschienene Fleck schwand rasch, und sein Rest stand in keinem Verhältnis zur Größe des fremden Wesens. Dessen plastisches Mühen rührte Sant in seiner Zwecklosigkeit, aber er widerstand dem Anreiz zu lachen.
»Dir geht es nicht gut«, sagte er nachdenklich, »hast dich verausgabt mit mir und darüber deine eigenen Angelegenheiten vernachlässigt«, und er erwischte sich, nun doch schmunzelnd, wie er selber die Muskeln spannte und sich in drollig mitfühlender Synchronie in den Hüften drehte.
Da fesselte ein neues Ereignis seine Aufmerksamkeit. Ein anderes lebendes Wesen eilte knallgelb und winzig im Zickzack auf dem Staub umher wie ein geschäftiger Käfer. Während Sants Augen durch das Objektiv der Kamera den verworrenen Wegen des kleinen Dings folgten, fanden sich immer mehr seiner Art ein. Woher sie kamen, war ebensowenig zu ermitteln wie die Weise ihrer raschen Bewegungen. Dicht umschwärmten sie seinen großen Freund, wie magnetisch in dessen Bannkreis fixiert, und Sant schöpfte Verdacht, daß der selbst ihr Ursprung sein mochte.
»Hast du Läuse?« fragte er deshalb, dann riß er die Augen auf: Die Zahl der wimmelnden Punkte schwoll explosiv zur Unzahl, und bald war ersichtlich, daß der Große selbst in die kleinen Partikel zerfiel. Ihre Masse zehrte die seine auf. Sant sah betroffen zu, wie er
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