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Das Gastgeschenk der Transsolaren

Das Gastgeschenk der Transsolaren

Titel: Das Gastgeschenk der Transsolaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Leman , Hans Taubert
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jetzt der Schauder seine Male ein.
      Keiner gewöhnte sich daran, und es gab nur wenige, die es lernten, sich zu überwinden. Zu diesen gehörte ich nicht. Dabei war ich nicht sensibler als andere auch. Schließlich bekam ich im Reanimationszentrum manches vor die Augen, das nicht jedermanns Geschmack ist. Aber das hier ging doch unter die Haut.

    Da waren SIE!
      Mit schmatzendem Laut glitt ein Individuum nach dem anderen aus der dunklen Öffnung hervor. Lange, ziehende Schleimfäden bezeichneten ihren Weg. Dicht an dicht, wie eine einzige unförmige schwarze Masse krochen sie synchron in die riesige, flache Glasmulde. Was nun folgte, war eine Art Begrüßungszeremoniell: In der Glaswanne trennten sich die Lebewesen voneinander, und plötzlich, als folgten sie einem Signal, reckten sie ihre Vorderkörper senkrecht aufwärts und spreizten den vielstrahligen Tentakelkranz weit ab. In dieser Stellung erstarrten sie sekundenlang, bis heftiges Zittern ihre tetanisch verkrampften Leiber überlief und sie schlaff zusammensanken.
      Bald begannen die Tentakel wieder rhythmisch zu schlagen. So redeten sie in seltsamer Zeichensprache zu uns.
      Erst als man darauf gekommen war, Filme stroboskopisch zu belichten und das Geschehen mit stärkster Zeitdehnung aufzunehmen, gelang die Analyse ihrer Sprache. Unseren unbewaffneten Augen entgingen die Nuancen ihres komplizierten Bewegungsmusters völlig. Winzige Vibrationen und unsichtbar schnelle Wellenzüge, die über einzelne Tentakelabschnitte hinweghuschten, gaben sogar den Computern Aufgaben, die sie erst nach Minuten zu lösen vermochten.
      Langsam, fast lautlos krochen sie auf uns zu. Nur das feine Knistern zähen Schleimes drang an unser Ohr. Jetzt galt es, Nerven zu behalten. Viele unter uns preßten die Augenlider zusammen, um den Anblick nicht ertragen zu müssen. Aber niemand konnte dem betäubenden Duft entrinnen, der ihren runzligen Leibern entströmte und uns lähmend wie ein Alpdruck bedrängte. Wenn sie ganz dicht vor uns lagen, erfolgte das, worüber keiner gern sprach, der es erlebt hatte.
      Zuerst stellten sie den Kranz ihrer schlangengleichen Tentakel, deren jeder in einem lichtempfindlichen Organ endete, wie einen Trichter, so daß es schien, als starrten sie uns aus hundert Augen an. Dann schob sich, Zentimeter für Zentimeter, ein armstarker Palpus vorwärts. Sein keuliger Kopf war dicht mit Drüsen besetzt, die zähflüssiges, milchiges Sekret absonderten. Und mit geschmeidigen Bewegungen hüllten sie jedem von uns die Schädeldecke und die Hautpartien über dem Rückenmark mit einer dicken Schleimschicht ein. Wir von der ersten und zweiten Kontaktgruppe lagen deshalb mit nacktem Oberkörper in der Halle; diese näheren Umstände gab man der Öffentlichkeit bisher noch nicht bekannt.
      Lange blieb die widerliche Masse auf unseren Körpern haften. Endlich glitten sie wieder herbei und streiften den geronnenen Schleim in eine Öffnung, die im Zentrum des Tentakelkranzes klaffte. So fingen sie alle Reaktionen unseres Zentralnervensystems ein, konservierten sie und nahmen sie in sich auf! Jeder einzelne unserer Gedanken konnte so in ihren Besitz übergehen. Sobald sie den Kode unserer Denkweise beherrschten, würde ihnen nichts verborgen bleiben. Wir spielten die Rolle lebender Datenspeicher und gaben uns Mühe, der großen Verantwortung und des in uns gesetzten Vertrauens gerecht zu werden. Aber manche Empfindung ließ sich nicht unterdrücken, und das belastete unser Gewissen.
      Sie hatten sich längst wieder in ihren Flugkörper zurückgezogen, da fanden wir in der Glasmulde einen kleinen, metallisch glänzenden Zylinder. Als wir ihn vorsichtig öffneten, fiel uns ein kümmerliches Exemplar blühenden Wegerichs in die Hand. Ein Gastgeschenk! Für uns Menschen!
      Welche unendliche Mühe mag es sie gekostet haben, unter den Bedingungen ihrer Welt eine irdische Pflanze zu kultivieren!

    Der lange Schatten des Rhododendronstrauches erinnerte mich an die vorgeschriebene Bettruhe. Noch einmal genoß ich die freie reine Luft in tiefen Zügen. Zaghaft erwachte in der milden Kühle des Abends der Wind und trug den Duft geschnittenen Grases zu mir herüber. Langsam sank die Dämmerung und verwischte die Farben. Drüben über den Koniferen mußte bald Jupiter in ruhigem Glanz erstrahlen. Ich schickte meine Gedanken zu Kyta, Gedanken voller Dankbarkeit und Sehnsucht.
      Als ich mich erhob, kroch zu meinen Füßen eine nackte, schwarze Schnecke in

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