Das Gastgeschenk der Transsolaren
ich sie wieder herunterbekommen? Warum war es da drinnen überhaupt so warm?
Plötzlich durchfuhr es mich: Das Zeug in den Flaschen war trübe. Fast gelb sah es aus. Verdorben. Weil das Fach nicht kühlt, dachte ich. Die Temperatur stieg rapide an. Zweiundvierzig – fünfundvierzig – einundfünfzig Grad. Ein Kühlfach mit einundfünfzig Grad! Lächerlich! Ich hoffte nur, daß sie das Ding abgesichert hatten. Was konnte nicht alles passieren?
Vierundsechzig Grad! Aber dann schien das Thermometer stillzustehen. Dafür sah einer der Thermophore bedenklich aus. Der Inhalt lief ins Vakuum zwischen die Doppelwände. Die innere war gesprungen. Was lag schon daran? Die Brühe war ohnehin verdorben.
Was dann geschah? Ohne ersichtliche Ursache zersprang die Flasche völlig und lief aus. Oder vielmehr lief sie über wie im Märchen vom süßen Brei. Das Zeug floß außen am Hals herab. Aber das sah irgendwie dumm aus, gar nicht so, wie wenn etwas Flüssiges fließt oder etwas Zähes. Es sah aus, als ob das selber kroch, nicht durch die Schwerkraft nach unten gezogen, sondern als ob…, jedenfalls unphysikalisch. Und von der Zone der Schwerelosigkeit war mein Taxi noch weit entfernt. Spinn nicht! rief ich mich zur Ordnung. Ohne Erfolg, denn das kroch wirklich selber! Am Boden entlang und an der Wand des Kühlfaches hinauf. Hinauf! In zwei breiten Zungen… Die verlängerten sich…, zogen sich, wo sie endeten, zu feinen Spitzen aus. Diese begannen zu vibrieren und dann wie tastend, witternd, sich langsam, Millimeter um Millimeter, weiter vorzuschieben wie im Zwange wachsender, gierig zitternder Spannung. Suchten sie etwas? Kriecht nur herum, dachte ich, rundum ist der Kasten aus Metall, und vorn ist Panzerglas. Das bekommt ihr nicht kaputt. Damit wollte ich mich selber trösten, denn langsam wurde ich nervös.
Sie strebten zu den Kühlrippen, wie es schien. Ganz sicher, zu den Kühlrippen! Im gleichen Moment sah ich Reif und Eiszapfen an den Rippen. Also kühlten sie doch! Woher dann die Hitze? Noch immer brüteten vierundsechzig Grad im Fach, und die Rippen hingen voll Eis. Da beschlich mich die erste Ahnung nahenden Unheils, denn ich schöpfte Verdacht, woher die Wärme stammte: Das teuflische Material aus den Thermophoren heizte sich selber ein. Was hatten sie mir nur eingeladen!
Fadendünn zogen sich die Zungen in die Länge. Wohin wollten sie? Doch nicht etwa…? Tatsächlich! Sie steuerten genau dorthin, wo das Eingangskabel für die Stromversorgung mündete. Das mußte Kurz Kurzschluß geben. Achtung! Jetzt! Aber es geschah nichts. Dachte ich. Es geschah nämlich doch etwas: Irgendwo wurde Strom entnommen. Das Netz war angezapft. Wenn’s doch den Brei dort hinten zerschmorte! wünschte ich, als ich das Amperemeter ablas. Mein unfreundlicher Wunsch erfüllte sich nicht.
So schnell, wie das dann umging, was da im Kasten eingesperrt war, konnte ich gar nicht mehr schauen. An den beiden intakten Thermophoren schob es sich als dünnes, feines Geflecht gelb heraus. Gelb? Es schimmerte indessen schon mehr orange, verglichen mit der Färbung wenige Minuten zuvor. Den einen Behälter umspann das flüssige Netz so dicht, daß er darunter verschwand. Soll er geknackt werden, fragte ich mich und erschrak zugleich über diese Idee. Ich dachte Dinge, die man nur von etwas denken durfte, das will. Und eben noch hatte ich geglaubt, der Inhalt der Flaschen sei verdorben. Tätig war er! Beängstigend mobil, wie ihn noch niemand von uns gesehen hatte! Wer würde glauben, wenn ich erzählte, was hier geschah? TV hatte man eingebaut, eine Kamera wäre notwendiger gewesen.
Bald leuchtete das monströse Myzel zweifelsfrei orange, und der zweite Thermophor leerte sich rasch, denn er war wirklich geknackt worden. Mit Genugtuung erinnerte ich mich der Dicke der Frontscheibe, denn wenn ich bedachte, wo dieser Janussaft gefunden worden war, wie es da aussah, wo man ihn schöpfte und was man von dort erzählte, dann wünschte ich nicht, daß er mir zu nahe auf die Haut rückte. Und ich wünschte, ich wäre schon weiter auf meiner Jubiläumsfahrt.
Unserer Phantasie sind Grenzen gesetzt. Ein nützliches Prinzip. Welchen Unsinn hätte ich womöglich angestellt, wäre mir eingefallen, daß der Teufelssirup seine Fäden auch durch dieses dicke Glas hindurchspinnen könnte, zumindest in bildlichem Sinn. Denn so nahm die Sache ihren Fortgang.
Zunächst biß mir der Summer der Radarwarnung in die Ohren. Auf
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