Das Gastgeschenk der Transsolaren
Stunden zu bewältigen, so glaubte ich wenigstens. Die Zeit stand still; der Geist in meinem Rücken hielt sie fest. Wenn es nur einer wäre, dachte ich. Ich würde ihn auslachen. Das hinter mir war reeller: Es hatte Geist.
Mit dreihundert Gramm farbloser Flüssigkeit flog ich ab. Da unten, woher dies Etwas stammte, versteckte es sich betrügerisch in amorpher Passivität. Hier, gerade hier in der Kabine, erwachte es zu obskuren Metamorphosen, tastete Dinge an, die ernst genug waren, denn das Leben hing daran. Meins… und seins? Ich zweifelte nicht mehr, daß dies richtig gedacht war.
Diese Deutung des dunklen Geschehens war kaum geeignet, mich zu beruhigen. Mit so etwas an Bord war nichts unmöglich. Die nächste Attacke meines blinden Passagiers tat ein übriges, jeglichen Kampfgeist zu lähmen, so daß ich für eine Weile in Lethargie versackte. Aber das Gefühl, nicht kämpfen zu müssen, empfand ich als Wohltat, wie es jedem ergehen mag, der sich, obwohl waffenlos, dazu verpflichtet glaubt.
Es roch brenzlig. Mein erster Blick galt dem Kollegen im Kasten. Bei permanenter Wandlung der Gestalt war seine Substanz momentan zu einer neuen Konstruktion geronnen: Segelartig ausgespannte Elemente bauten, vielfädig filigran verwoben, ein noch immer rotes, aber diesmal starr statisches Gebilde auf. Es glich entfernt einem konischen Rohr oder einem Trichter. Unwillkürlich folgte mein Blick der Linienführung. Der Trichter wies auf ein Kabel. Dort schmorte in Sekundenschnelle die Isolierung durch. Die Phase erhielt Kontakt mit der Masse und setzte das Gehäuse des Kühlfaches unter Spannung. Mit bestürzender Raffinesse hatte sich mein Freund die richtige Stelle ausgesucht. Er gewann aufs neue Energie – und ich nach kurzer Überlegung die Erkenntnis, daß diesmal mit simplem Griff zur Sicherung nichts auszurichten war. Hatte ich andere Mittel? Wie sollte ich also kämpfen? Einigermaßen gelassen nahm ich seine weiteren, emsig betriebsamen, purpurnen Machenschaften wahr.
In allen Ecken tat sich etwas. Es rumorte im Kasten, und es rumorte im Taxi, bald da, bald dort. Das da hinter mir holte sich Informationen und nahm tastend Einfluß auf die elektronischen Mechanismen unseres kleinen Gefährts. Feinsinnig oder mit energischem Griff bemächtigte es sich Stückchen für Stückchen der Herrschaft über den Fluß der Elektronen und schuf seine substanzlos fernwirkenden Sonden aus sich selbst. Das fand auf der diffizilen Anzeigetafel des Steuerzentrums in unmotivierten Anzeigen der Meßgeräte, in Geräuschen und allerhand anderen krausen Erscheinungen geisterhaften Ausdruck. Ich nahm es hin.
Da trat die Entwicklung meines ungeladenen Gastes in eine neue Phase ein. Über intensives Violett dunkelte die bewegliche Wirrnis der Gespinste und Membranen zu undurchsichtig tiefem Schwarz. Das Ende der Farbskale war erreicht. Es kündete wie ein Vorzeichen die dramatische Lösung des Geschehens an und das vorzeitige Ende der Reise.
Ich hatte plötzlich das Empfinden, der Sessel drücke links. Es gab nur eine einzige Ursache: Eine der seitlichen Düsen strahlte zur Bahnkorrektur. Siedend fuhr es mir in die Glieder, als ich die Leitstrahlkontrolle erblickte. Sie stimmte genau: ein rein schwarzes Quadrat. Die Steuerautomatik konnte den Impuls also nicht gegeben haben. Schon erschien am rechten Rand des schwarzen Vierecks der alarmierend rote Streifen: Ausscheren rechts aus dem Leitstrahl! Da verlor ich den Rest meiner Fassung. Ich glaube, ich habe in der Kabine vor Ohnmacht laut herumgeschrien: Das ist doch falsch! Das ist doch alles ganz falsch, elende Brühe da hinten! Du verdammte elende Brühe! Du gehst genauso kaputt wie ich! Was weißt du, wie man so ein Taxi steuert! In vierzig oder fünfzig Stunden ist es aus, wenn es beginnt, kalt zu werden hier drinnen!
Erschöpft und wehrlos sank ich zusammen und beobachtete mit stieren Blicken, wie der drohend rote Streifen langsam Fläche gewann und millimeterweise das beruhigende Schwarz der quadratischen Fläche fraß, wie er in technischer Sturheit zeigte, daß wir weiter und weiter vom Leitstrahl hinwegrasten in die tödliche Wüste des Alls.
Voller Entsetzen glaubte ich, ohne alle Hoffnung zu sein. Törichte jugendliche Übertreibung! Indessen, es ist ein Attribut aller Jugend, die Amplituden zu überhöhen, ein fröhlich attraktives Beiwerk, das wir im Alter manchmal missen.
Ich war – das werden Sie gewiß begreifen – nur zu gern
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