Das Gastgeschenk der Transsolaren
Sitte für wert hielten, das Neuland zuerst zu betreten: Michalsen war es, der das Parterre-Außenluk als erster verließ, um seine Füße auf den fremden Planeten zu setzen.
Er trat einfach ins Leere, schwebte abwärts entlang den mannshohen Buchstaben MAKROVAL 70, die er schon fast vergessen hatte. So erreichte er den Grund der seichten, vom Bremsstrahl verglasten Mul de, noch bevor der hydraulische Schacht der Gangway unten anhielt. Michalsen kam härter auf, als er es sich vorgestellt hatte. Doch nun stand er hier. Er hob den Blick in die Landschaft. Ihre Ungeheuerlichkeit traf ihn so schroff, daß er rücklings auf einen der Ausleger des Schiffes zurückwich, denn instinktiv brauchte er einen vertrauenswürdigen Halt im Rücken. Was er unmittelbar mit Augen sah, war in nichts dem gefilterten Abglanz vergleichbar, den er in den vergangenen Arbeitstagen von den Projektionsbildern im Innern ihres Gehäuses her kennengelernt hatte.
Von rechts schleuderte die Sonne kochende Lichtfluten. Dabei war ihre Glut vom Standort aus unter den Horizont versenkt. Nur durch dessen kulissenhaft nahe Scharten hindurch blendete das Licht des äußersten Randes der Sonnenscheibe, und an der Breite der Erscheinung erkannte der Techniker die unfaßbare Größe des Gestirns. Die Strahlen strichen horizontal über die Fläche und ließen gleißend erglühen, was sich über ihr Niveau erhob, und alles Abgewandte und Tiefergelegene versank in Schwärze, die im Kontrast abgründig war. Weißglut und Finsternis trafen hart aufeinander, und nichts milderte den stechenden Gegensatz. Alles lag in ersticktem Schweigen und tödlich erstarrt. Nur Sekunden verstrichen oder Bruchteile davon. Michalsen riß sich zusammen. Er hob die Hände, um mit dem Polarisatorfilter an den Augenscheiben die schmerzhafte Helle zu dämpfen, denn er fühlte sich dem Licht erliegen. Da schleuderte ihn eine fremde Gewalt seitwärts.
Noch während er sich überschlug, sah er die Lawine. Eine Wolke aus grellem Glanz wälzte sich den vom Licht getroffenen Hang abwärts genau über jene Stelle hinweg, an der Michalsen eben noch gestanden hatte. Im Schatten erlosch das Gleißen, und er erkannte das rollende Gestein inmitten transparenten Staubes. Die geringe Gravitation dehnte die Zeit. In grotesker Behäbigkeit glitten mächtige Blöcke die Böschung der Mulde herab und hoben sich ballonhaft zu kurzem, trägem Fluge vom Grunde ab, wenn sie ein Vorsprung der abschüssigen Fläche aus der Bahn warf. In den trügerisch sanften Sprüngen lauerte die Gewalt von Tonnen. Einer der Klötze streifte den Ausleger. Elastisch schnellte die armstarke Konstruktion zurück und vibrierte wie eine Saite. Aber die rasenden Schwingungen des Metalls blieben stumm. Kein Laut hatte Michalsen vor den hereinbrechenden mineralischen Massen gewarnt. Geisterhaft schweigsam vollzog sich die Demonstration der Gefahr vor den Augen des Betroffenen, der wohl wußte, daß das Vakuum stumm ist, der dies Phänomen aber jetzt erst begriff. Bleich löste er den Blick von den auskollernden Steinen, als ihn Rwow über Extravox anrief.
Er erblickte Rwows Gestalt, die selbst im Skaphander kompakt wirkte, jenseits der kleinen Moräne, die zwischen ihnen eben zur Ruhe kam, und verstand. Rwow, der ihm auf Sutomeinens Geheiß über die Gangway dicht gefolgt war, hatte ihn im letzten Moment von dort weggerissen, wo jetzt die Gesteinsbrocken lagen. Er beherrschte die merkwürdige Mechanik dieser Welt noch nicht recht, in der nur die Gewichte der Dinge vermindert waren, nicht ihre Massen, und so mußte ihn wohl sein eigener Kraftaufwand in die entgegengesetzte Richtung geschleudert haben. »Das ging noch gut«, hörte er Rwow mit kurzem Atem brummen, »ist der Arm noch dran?«
Michalsen gelang ein Lächeln, und er konnte sich schon wieder wundern, warum er seinen Gefährten sah. Wo war die Staubwolke abgeblieben, die im Sonnenlicht opal glänzte, weil ihre äußersten Teilchen das Licht in alle Richtungen beugten? Er wollte fragen, aber der Schrecken hielt ihm noch die Kehle verschlossen, Rwow stakte auf ihn zu und antwortete ungefragt: »Eine reinliche Gegend! Der Staub plumpst ebenso schnell abwärts wie die Steine. Die Luftbremse fehlt. Dafür scheinen die Brocken zu segeln.« Da fuhr ihm Sutomeinen dazwischen: »Rwow! Links!«
Der wuchtete seitwärts, viel zu weit. Ein neuer Block hatte sich gelöst und riß eine Menge kleines Geröll mit sich.
Michalsen musterte das Gelände. Hang
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