Das Gastgeschenk der Transsolaren
bewahren und die Gewißheit, daß die letzte Wand doch einmal wird fallen müssen. Sie wird Stolz und Würde der Menschen bewahren, wenn sie das Schwerste vollbringt: der Mahnung der Vernunft zu folgen, abzubrechen, abzufliegen, heimwärts zur Vollendung der Arbeiten, die sie von hier mitnimmt.
Die Mannschaft stand erst am äußersten Rande dieses Geschehens.
Michalsen hielt oben Wache. Wyman und Kreik stiegen ab. Die Blicke der Einfahrenden folgten erwartungsgeladen dem Strahl der Helmbrenner, und sie spähten in zahllose Nischen, die sich bald nach allen Richtungen hin öffneten. Noch weiter in der Tiefe verlor der Raum, der sich nun zu einem weitverzweigten System enger Schlünde verästelte, alle Ähnlichkeit mit einem Schacht. Die Hauptrichtung wies nach wie vor abwärts, jedoch hatten die Männer beim Abstieg keine besonderen Schwierigkeiten. Die Wände wichen zwar um ein geringes auseinander, aber sie gewährten Händen und Füßen bequemen Griff und Tritt. Dem vorauskletternden Kreik wurde die Bequemlichkeit verdächtig. Mit gespreizten Beinen, den Rücken an die Wand gepreßt, klemmte er sich fest in den Kamin und untersuchte die Oberfläche des Gesteins.
»Sieh dir das an«, sagte er zu Wyman, der sich bemühte, dem Biologen nicht auf dem Kopf herumzutreten, und neigte den Helm, so daß die Lampe zwischen seinen Beinen hindurch den Stollen eine Strecke nach unten ausleuchtete. Er drehte am Kollektor des Entladungsbrenners und verengte den Schein zu einem Bündel. Der Strahl stach als scharfer Kegel durch die plötzlich staubgeschwängerte Enge. Unten geisterte er über die Wand des Schachtes, die ihnen auffällig gegliedert schien.
»Da ist doch was«, sagte Kreik, »aber der Staub… Festhalten!« schrie er plötzlich und krallte sich verzweifelt an brechende Vorsprünge. Wol ken von Staub stiebten auf und verwandelten den Brennerstrahl in einen massiven Balken aus Licht, der wild in der Enge herumfuhr.
»Achtung oben!« Wyman preßte sich gegen die Schachtwand, versuchte, sich festzukeilen, gewärtig, vom Leitseil mit in die Tiefe gerissen zu werden. Er spähte durch den brodelnden Dunst, der das Licht von Kreiks Brenner flackernd brach. Endlose Sekunden glitt die Leine über seine Schulter. Endlich blockierte die Sicherung. Zunächst war Stille im Helmfunk.
»Kreik!«
»Was ist los?« Das war Michalsens Stimme. Gleichzeitig fragten andere Stimmen alles mögliche. Das Durcheinander irritierte Wyman, der nichts verstand. Was für eine Menge Leute auf der Welle sitzen! Bevor er einen vernünftigen Gedanken fassen konnte, schrie Kreik alles nieder: Er fluchte ausführlich. Das beruhigte zuerst Wyman und dann die anderen.
»Die Sache sieht hier unten… ganz anders aus«, ächzte der Biologe in die angespannte Stille. »Wie Mäanderkorallen. Sehr brüchig. Phantastische Sache. Kommst du nun endlich?« Wyman lachte lautlos. Der Absturz hatte Kreiks ungeduldigen Tatendrang nicht gedämpft.
»Es qualmt!« rief Michalsen von oben.
»Nichts dabei. Staub von hier unten«, beruhigte ihn Wyman. Er sah: Der Schacht klarte auf.
Nach vielem Hin und Her ließ sich der besorgte Michalsen bewegen, die Blockierung der Leine wieder zu lösen. Wyman kniff die Augen zusammen. Etwas stimmte nicht. Aber bevor er diesen Gedanken zu Ende denken konnte, brach er selbst an die zwanzig Meter abwärts, glimpflich, denn die geringe Schwerkraft erlaubte nur mäßige Beschleunigung. Die Strukturen an der Höhlenwand erwiesen sich als äußerst zerbrechliche Gebilde, und Wyman hatte einfach Hemmungen, fest zuzupacken. Instinktiv scheute er sich, hier ohne triftigen Grund etwas zu beschädigen. Als Ergebnis seiner Vorsicht ging ein Regen von Bruchstücken auf Kreiks Haupt nieder. Oder wohl doch nicht gerade auf dessen Haupt: Als der Planetologe im Absteigen innehielt, erblickte er dicht unter sich Kreiks Beine, die im scharfen Schein des Helmlichtes vor der schwarzen, bodenlosen Tiefe hell aufleuchteten. Sie ruderten eifrig, als seien die Füße mit Flossen versehen. Unbeholfen am Seil schwebend, mochte sich Kreik in die Praktiken seiner früheren Sporttaucherei geflüchtet haben. Der übrige Teil des Mannes steckte tief in einer engen, seitlichen Kaverne. Kreik wirtschaftete dort ebenso heftig wie unbestimmbar herum. Was der Biologe dann ins Licht ihrer Lampen förderte und auch das übrige, freilich arg beengte Panorama waren allerdings sehenswert, und auch Wyman empfand, daß dies »etwas
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