Das geborstene Schwert
so bald wieder?
So grübelte Asmund, und schließlich, zwei Tage nach Valgards Weggang, folgte er ihm. Es hatte in der Zwischenzeit weder Schnee noch Wind gegeben, und in dem glatten Weiß waren die Spuren deutlich zu sehen. Asmund lief auf seinen Schneeschuhen allein durch schweigende Wälder, wo sich außer ihm nichts rührte, und die Kälte biß ihm ins Fleisch.
Drei Tage später kehrte Valgard zurück. Von nah und fern waren Leute zum Totenschmaus gekommen. Der Berserker schritt mit fest geschlossenen Lippen und grimmigem Gesicht durch den überfüllten Hof.
Älfrida faßte ihn am Ärmel.» Hast du Asmund gesehen? «fragte sie ängstlich.» Er ist in den Wald gegangen und noch nicht wieder nach Hause gekommen. «
» Nein «, antwortete Valgard kurz.
» Schlimm wäre es, zwei gute Söhne im gleichen Monat zu verlieren und nur den schlechtesten zu behalten «, sagte Älfrida und wandte sich von ihm ab.
Am Abend versammelten sich die Gäste in der großen Halle zum Trinken. Orm saß auf seinem Hochsitz mit Valgard zu seiner Rechten. Auf den Bänken zu beiden Längsseiten drängten sich die Männer und hoben sich über den Flammen und dem Rauch des Feuers, das in einem Graben zwischen ihnen brannte, die Trinkhörner entgegen. Frauen kamen und gingen und füllten die Hörner auf. Die Männer, ausgenommen die Gastgeber, waren von dem Bier lustig geworden, und manch ein Auge folgte Orms beiden Töchtern.
Orm trug eine gelassene Miene zur Schau, wie es einem Krieger ansteht, der den Tod verachtet. Niemand vermochte zu sagen, was in seinem Inneren vorging. Älfrida konnte sich nicht enthalten, dann und wann leise und hoffnungslos zu weinen. Valgard saß wortlos da und leerte sein Horn, bis ihm der Kopf brummte. Seine Stimmung wurde immer düsterer. Ohne die Frau und die Aufregungen des Krieges hatte er nichts anderes zu tun, als über seiner Tat zu brüten, und Ketils Gesicht schwamm in dem dämmerigen Licht vor ihm.
Das Bier floß, bis alle betrunken waren und die Halle von ihrem Lärm erbebte. Und dann drang ein lautes Klopfen an der Haupttür durch den Tumult. Der Riegel war zurückgezogen, aber das Geräusch zog die Aufmerksamkeit der Männer auf sich. Durch den Vorraum, in die große Halle schritt Asmund.
Der Feuerschein hob seine Gestalt von dem schwarzen Hintergrund ab. Er stand weiß und schwankend. In seinen Armen trug er eine lange, in einen Mantel gewickelte Last. Sein hohler Blick wanderte durch die Halle und suchte einen Mann, und einer nach dem anderen verstummte, bis lähmendes Schweigen herrschte.
» Willkommen, Asmund! «rief Orm in diese Stille.» Wir hatten schon angefangen, uns Sorgen um dich zu machen – «
Immer noch starrte Asmund geradeaus, und die, die seinem Blick folgten, bemerkten, daß er auf Valgard gerichtet war. Endlich sprach Asmund tonlos:» Ich habe einen Gast zum Totenbier mitgebracht. «
Orm saß bewegungslos, obwohl er unter seinem Bart blaß wurde. Asmund setzte seine Bürde ab. Sie war so steif gefroren, daß sie, gegen seinen Arm gelehnt, stehen konnte.
» Grausam kalt war das Steingrab, wo ich ihn fand «, sagte Asmund. Tränen rannen ihm aus den Augen.» Es war kein guter Ort für ihn, und ich hielt es für eine Schande, daß wir zu seinen Ehren ein Fest feiern und er draußen bleiben solle mit niemandem als dem Wind und den Sternen zur Gesellschaft. Deshalb habe ich Ketil nach Hause gebracht – Ketil, der Valgards Axt in seinem Schädel trägt. «
Er zog den Mantel weg, und der Feuerschein fiel wie frisch vergossenes Blut auf das alte, das um die Axt klebte. Reif lag auf Ketils Haar. Sein totes Gesicht grinste Valgard an. Seine starrenden Augen spiegelten die Flammen wider.
Orm wandte sich langsam dem Berserker zu, dessen Kiefer wie bei einem Leichnam nach unten gefallen war. Doch einen Augenblick später sprang Valgard auf und brüllte Asmund zu:» Du lügst! «
» Alle Männer kennen deine Axt «, sprach Asmund schwer.» Ergreift den Brudermörder, gute Leute, und bindet ihn, daß wir ihn hängen können. «
» Ich verlange Gerechtigkeit! «schrie Valgard.» Laß mich die Waffe ansehen. «
Niemand bewegte sich, sie waren alle zu entsetzt. Ungehindert ging Valgard durch die Halle bis zum Eingang in den Vorraum.
Die Waffen waren nicht weit entfernt abgelegt worden. Im Vorbeigehen griff sich Valgard einen Speer und begann zu laufen.» Du entfliehst uns nicht! «rief Asmund. Er wollte sein Schwert ziehen und ihm den Weg verstellen. Valgard schleuderte den
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