Das geborstene Schwert
und durch Zaubersprüche gewannen sie Frischwasser aus dem Meer. Wenige Worte wurden zwischen ihnen gewechselt, denn Skafloc war nicht in der Stimmung für eine Unterhaltung, und Mananaan genügten nach Art der Unsterblichen seine eigenen Gedanken. Aber Achtung und Freundschaft füreinander wuchsen mit der harten Arbeit, und sie sangen gemeinsam die zauberkräftigen Lieder, die sie nach Jötunheim führten.
Schnell fuhr das Boot. Kälte und Finsternis verstärkten sich beinahe von Stunde zu Stunde auf dieser Fahrt in das Herz des Winters.
Die Sonne sank immer niedriger, bis sie nur noch eine weit entfernte blasse Scheibe an einem trüben Horizont war, die für kurze Augenblicke aus Sturmwolken auftauchte. Gnadenlos biß die Kälte durch Kleider und Fleisch und Knochen bis in die Seele. Die Gischt blieb in Eiszapfen am Tauwerk hängen, und die goldene Fand am Bug war in Rauhreif gekleidet. Die Berührung von Metall schälte die Haut von den Fingern, und der Atem gefror im Schnurrbart.
Immer mehr wurde es eine nächtliche Welt, in der sie über eine schwarze, silberbestreute See zwischen geisterhaften Eisbergen dahinsegelten. An dem tiefdunklen Himmel glänzten zahllose kalte Sterne, unter denen Nordlichter sprangen. Bei ihrem Anblick mußte Skafloc wieder an das Grabhügelfeuer denken. Eine leblose Stille herrschte, in der nur das Dröhnen des Windes und das Rauschen der Wellen zu hören waren.
Nach Jötunheim fuhr man nicht wie in irgendein Königreich auf Midgard. Sie segelten weiter nach Norden, als je ein sterbliches Schiff gekommen war, in Gewässern, die kalt und tot und schwarz waren. Zuletzt sahen sie kein anderes Licht mehr als Sterne und Mond und tanzende Nordlichter. Skafloc hatte den Eindruck, dies Reich liege nicht mehr auf der Erde, sondern am Rande des großen Abgrunds, aus dem die Schöpfung aufgestiegen ist und in den sie wieder zurückfallen wird. Dies war die See des Todes, und sie wogte außerhalb der Welt der Lebenden.
Danach verloren sie das Gefühl für die Zeit. Mond und Sterne bewegten sich in seltsamer Regellosigkeit, und aus dem Wind, den Wellen und der stärker werdenden Kälte ließ sich der Ablauf der Tage nicht ablesen. Mananaans Zauberkünste begannen zu versagen. Er befand sich jetzt jenseits der Grenzen seiner Macht. Böse Winde kamen auf, gegen die sich kaum ein Boot außer dem ihren hätte behaupten können. Schnee und Hagel machten sie blind. Das Boot rollte und stampfte im Sturm, nahm Wasser von betäubender Kälte auf, ließ das Segel flappen und lief aus dem Ruder. Eisberge erhoben sich zu ungeheuerlicher Höhe aus der Schwärze, und die Reisenden entkamen nur knapp einem Schiffbruch.
Der Nebel war vielleicht am schrecklichsten. Ein windloser, schweigender grauer Dampf tropfte herab und gefror, beschränkte die Sicht auf die Hälfte einer Armeslänge, durchweichte die Kleider bis auf die Haut und rann hinunter in die Stiefel, bis die Zähne klapperten. Das Boot lag bewegungslos, schaukelte nur ein wenig auf unsichtbaren kleinen Wellen. Zu hören war nichts als ihr gedämpftes Klatschen und das Tropfen des Nebels von dem eisbedeckten Segel. Umhertastend, fluchend, zitternd versuchten Skafloc und Mananaan das Wetter mit Zaubermitteln zu ändern, aber sie hatten so gut wie keinen Erfolg. Es war ihnen, als kröchen unsichtbare Wesenheiten durch die Nebelmassen und starrten hungrig in ihr Boot.
Dann kam ein Sturm auf. Sie wußten nicht, ob er sie in die richtige oder die falsche Richtung blies. Der Kampf ums Überleben vertrieb ihr Unbehagen. Der Mast ächzte, Segeltuch zerriß Hände, sich überschlagende Schaumwellen tosten unter der Reling. Das Boot stieg auf einer Welle bis in den rasenden Himmel hinauf, bloß um auf der anderen Seite wie bei einer Höllenfahrt wieder abwärts zu gleiten.
Skafloc sang:
Brüllende Brecher schlagen über Bord.
Das Ruder reißt sich los,
Der röhrende Wind wirft Hagel.
Seeleute fallen und verfluchen die Fahrt zum Eismeer.
Bitter ist das Gebräu hier,
Das Bier der See ist salzig.
Aber er hielt deswegen in der Arbeit nicht inne. Mananaan, der Schimpfen für ein besseres Zeichen hielt als Jammern, lächelte in den wahnsinnig gewordenen Himmel hinauf.
Und endlich kam der Augenblick, wo sie Land sahen. Unter dem Licht der Sterne und der Nordlichter lagen hohe Berge und grün blitzende Gletscher. Die Brandung schlug an Klippen, hinter denen das Land steil anstieg. Es war eine tote, weite Welt aus Felsen und Eis und altem Schnee,
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