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Das Gebot der Rache

Das Gebot der Rache

Titel: Das Gebot der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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Fenster aufriss.
    Von oben hörten wir, wie sie losrannte.
    »Mach schnell, Dad!«, schrie Walt.
    Ich hob Walt hoch und schob ihn durch das Loch hinaus in die eisige, froststarre Nacht. Hinter mir hörte ich, wie sie mit dem Fuß die Kellertür aufstieß. Nur ein Sekundenbruchteil, um die richtige Entscheidung zu fällen.
    Bleibst du hier und versuchst, sie aufzuhalten?
    Wenn sie dich erschießt, dann kriegt sie Walt.
    Als sie die Treppe heruntergestürmt kam, packte ich beide Fensterflügel und schwang mich durch die schmale Öffnung. In diesem Moment hörte ich hinter mir auch schon einen wütenden Aufschrei und den Knall einer Pistole. Neben meinem Kopf zersplitterte die Scheibe des zweiten Fensters.
    Ich griff mir Walt und versuchte, durch den knietiefen Schnee in die Dunkelheit zu rennen, während der beißende Wind uns entgegenpeitschte und mein Verstand weiter die Lage kommentierte, als würde er losgelöst von meinem Körper agieren. Sie wird es nicht durch das winzige Fenster schaffen. Sie muss wieder die Treppe rauf und quer durchs Haus, das verschafft dir vielleicht sechzig Sekunden. Dein Haus, die Waffe in der Schreibtischschublade, ist fast eine halbe Meile weit entfernt, durch den … – ein weiterer lauter Knall ertönte. Ich blickte zurück und sah, dass sie halb aus der Fensteröffnung hing und mit wedelndem Arm wild in die Gegend feuerte. Dann verschwand sie wieder im Keller, und gelbes Licht ergoss sich aus dem Fenster über den Schnee.
    Wir hatten die vordere Ecke des Hauses erreicht. In Schulterhöhe lief eine Veranda rund um das Gebäude, und im Umkreis von etwa drei Metern war das Gelände von den Verandalampen hell erleuchtet. Dahinter begann die Dunkelheit. Irgendwo in der Ferne vermutete ich die warmen Lichter unseres Hauses. Mein Büro. Den Schreibtisch. »Los, Walt, kletter auf meinen Rücken und halt dich fest.« Ich griff nach dem Geländer und zog uns beide auf die Veranda. Wegen der Überdachung lag dort kein Schnee, wir konnten also keine Spuren hinterlassen. Ich kroch um die Ecke des Hauses, immer unterhalb der Fenster entlang, riskierte einen kurzen Blick ins Wohnzimmer und sah sie über den Flur in Richtung Haustür sprinten. Ich zog Walt an mich und drückte mich eng an die Wand. Wir hörten, wie die Tür aufgerissen wurde und sie die Treppe hinunterstürmte. Mit Walt auf dem Rücken lief ich gebückt zurück, um das Haus herum bis zur Rückseite. Als ich mich umdrehte und um die Ecke spähte, rannte sie vor dem Haus auf und ab. Völlig außer sich zielte sie mit der Waffe wirr in die schwarze Nacht.
    Entgegen allem, was mein Instinkt mir sagte, stieß ich die Hintertür auf und schlich in die Küche. Das Licht war aus, und in der Dunkelheit spürte ich, wie meine Turnschuhe in etwas Dickflüssiges, Klebriges traten. Dort auf dem Linoleumboden, in einer Pfütze schwarzen Bluts, lag ein Körper. Als ich näher heranging, Walt an mich gedrückt, erkannte ich Jan Franklin. Ihr halbes Gesicht fehlte. Sie muss bei uns vorbeigeschaut haben, um zu erfahren, was es mit dem Hubschrauber auf sich hat. Ob sie die Leichen gesehen hat? Warum war sie hierhergekommen? »Nicht hinsehen, Walt.« Während ich vorsichtig einen Bogen um die Blutlache machte, ließ ich meinen Blick durch den Raum schweifen, in der schwachen Hoffnung, vielleicht in irgendeiner Ecke eine Jagdflinte zu entdecken. Nichts. Bloß eine stinknormale, abgenutzte Provinzküche. Ich konnte hören, wie sie draußen unsere Namen brüllte, und lugte aus dem Küchenfenster: Der Schnee leuchtete hell im Licht der Veranda, dahinter nichts als schwarze Winternacht. Genau auf der Grenze zwischen Licht und Dunkel stand eine große, alte Pinie. Wenn wir durch den Schnee rennen würden, könnte sie unsere Fußspuren sofort sehen. Ich blickte hinauf zum Dach der Veranda, versuchte nachzudenken, versuchte, mich anhand meiner wenigen Besuche hier an den Grundriss des Hauses zu erinnern. Ich traf eine Entscheidung.
    Ich rannte mit Walt nach oben. Als wir uns auf dem ersten Treppenabsatz befanden, konnte ich durchs Fenster sehen, wie sie ums Haus herumlief. Die Faust um den großen Revolver gekrallt, suchte sie die Schneefläche ab. Auf dem Treppenabsatz lag eine schwarze, dick gefütterte North-Face-Jacke auf einem Stuhl, die ich nahm und um Walt wickelte. Vor uns führte ein großes Aussichtsfenster auf das Dach der Veranda. Ich öffnete es vorsichtig, schob es so leise wie möglich nach oben und kletterte nach draußen. Beinahe direkt unter

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