Das gebrochene Versprechen
ziemlich dieselbe Botschaft wie
beim letzten Mal: dass ich okay sei, einer viel versprechenden Spur nachginge
und mich wieder melden würde. Dann schlüpfte ich in die Coffee-Shop-Sitznische,
wo die Kellnerin gerade mein Frühstück abstellte, und machte mich über einen
Stapel in Butter und Ahornsyrup schwimmender Pfannkuchen her.
Wenn
Shar frustriert oder beunruhigt ist, verliert sie den Appetit — was mir immer
schon total ungerecht erschien, weil sie sowieso kein Gramm zunimmt, egal, was
für gastronomische Ungeheuerlichkeiten sie zu sich nimmt. Ich hingegen stopfe
mich voll und bezahle es dann mit Extra-Pfunden und langen Trainingseinheiten
im Fitness-Center.
Für
heute würde ich mit Sicherheit zahlen müssen, denn ich war nicht nur
frustriert, sondern — jetzt — auch noch beunruhigt und ein bisschen gekränkt.
Ich
konnte ja verstehen, dass Ricky vor einem Konzert alle Anrufer abwimmeln ließ.
Das hatte er gestern in L.A. auch getan. Aber hätte er nicht veranlassen
können, dass sie meinen Anruf durchstellten? Wollte er denn nicht meine Stimme hören,
so wie bei jedem seiner Anrufe an diesem elenden Wochenende, als er hatte
einsehen müssen, dass seine Ehe endgültig kaputt war?
Na
ja, vielleicht vertraute er ja auf meine Fähigkeit, selbst auf mich
aufzupassen. Vielleicht wusste er ja, dass ich, wenn ich sagte, ich sei okay,
auch okay war.
Nein,
dachte ich und goss noch mehr Sirup auf den Rest des Pfannkuchenstapels,
Coolness war nicht sein Stil, wenn es um Menschen ging, die ihm wichtig waren.
Und er hatte ja zugegeben, mir gegenüber einen gewissen Beschützerinstinkt zu
verspüren, was mich nicht weiter störte, weil auf mich noch nie jemand hatte
aufpassen wollen, nicht mal, als ich klein war. Wenn man so für eine Frau
empfindet, für die Frau, die man liebt, dann lässt man nicht einfach ihre
Anrufe von sich fern halten und geht schlafen.
Die
Frau, die er liebt...
Ich
würde ihn nochmal anrufen, ehe erzürn Soundcheck ins Coliseum musste.
24
13 Uhr 11, Sommerzeit der
Rocky-Mountains-Staaten
Das Telefon klingelte. Laut.
Hy brummelte irgendwas, grabbelte
nach dem Telefon und fegte es vom Nachttisch.
»Himmelarsch!«
Ich zuckte zusammen. Das würde
ein langer Nachmittag und Abend werden.
»Hallo!... Ja, die ist da.«
Da die schweren Vorhänge
geschlossen waren, konnte ich seine Hand kaum erkennen, als er mir den Hörer
hinstreckte. Unsere Finger kollidierten, und sein Ring kratzte mich
schmerzhaft.
»Au! Verdammt!«
Er seufzte. »Sorry.« Er musste
wohl auch gedacht haben, dass der Rest des Tages lang werden würde.
»Hallo?«
»Shar, was geht denn bei euch
ab?« Mick.
»Frag nicht. Was hast du
rausgekriegt?«
»Sie ist nirgends hingeflogen.
Sie hat in lax einen Mietwagen
genommen. Bei Hertz.«
»Was hat sie als Kontaktadresse
angegeben?«
»Das Hotel hier.«
»Verdammt. Hör mal, Mick, sie
hat nicht zufällig irgendwelche Notizen gemacht, während sie an deinem Computer
war?«
»Hab ich schon geprüft — nein.«
»Na ja, danke.« Ich sah auf den
Digitalwecker auf dem Nachttisch. »Geht’s jetzt bald los, nach Tahoe?«
»Bin schon gestiefelt und
gespornt.«
»Grüß alle von mir. Wir sehen
uns, wenn... wenn das alles vorbei ist.« Hy war ins Bad gegangen. Er kam heraus
und schlüpfte wieder ins Bett. »Wir hätten noch fast eine Stunde schlafen
können«, sagte er wehmütig.
»Ich weiß.« Ich erzählte ihm,
was Mick herausgefunden hatte. »Also, weißt du«, sagte er, »Rae kann manchmal
ganz schön nerven.«
Ich verkniff mir zu sagen, dass
er das manchmal auch konnte, und ging meinerseits ins Bad. Als ich wieder
herauskam, hatte er die Nachttischlampe angeknipst und war am Telefonieren. Er
streckte mir den Hörer hin. »Ricky.«
»Hallo, was gibt’s?«
»Sie hat wieder angerufen, aber
die Rezeption hat Mist gebaut und sie nicht durchgestellt. Dieselbe Botschaft —
nur dass sie diesmal noch gesagt hat, sie sei auf einer viel versprechenden
Spur.«
»Das hatte ich mir schon gedacht.
Von wann ist die Botschaft?«
»Elf Uhr zwanzig — zehn Uhr
zwanzig daheim, falls sie dort ist.«
»Na ja, wo immer sie ist,
wenigstens ist sie okay.«
»Hoffentlich.« Seine Stimme
wurde rau vor Emotion. »Ich glaube, ich würde es nicht verkraften, wenn ihr irgendwas
passieren würde. Der Mensch kann nur ein gewisses Maß an Verlusten ertragen.«
»Du wirst sie nicht verlieren.«
Wir redeten noch ein bisschen,
dann gab ich Hy den Hörer wieder, rutschte ein Stückchen
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