Das Geburtstagsgeschenk
Sonntagsblätter den Fall breittraten. »Stets war von ihr nur als der hübschen Kleinen, dem Aschenbrödel die Rede. Sie hatte bei Tesco an der Kasse gesessen, als Damian Mason in ihr Leben getreten war. Er hatte bei diesem seinem ersten und wahrscheinlich einzigen Besuch in einem Supermarkt eine Tüte Kartoffelchips und zweihundert Zigaretten gekauft und sich in sie verliebt. Alle sagten, sie habe das große Los gezogen. Er machte mit ihr Flitterwochen auf einer Insel im Südpazifik und kaufte ihr eine prachtvolle Villa (ein Herrenhaus, wie es in den Zeitungen hieß) in Hampstead Garden Suburb.
Sie hatte sich – schüchtern und bescheiden, wie sie war – schon immer schnell nervös machen lassen. Die Journalisten, die sie nach dem Entführungsversuch interviewten, verspotteten sie gnadenlos, weil sie keinen höheren Schulabschluss hatte, High Heels zu weißen Jeans trug und gern Seifenopern sah. Mit Vorliebe brachten sie Fotos, auf denen sie ungünstig getroffen war, mit offenem Mund oder geschlossenen Augen. Die Meute, die ihr Haus belagerte, jagte ihr Angst ein. Sie wagte sich kaum ans Fenster. Nach vier Tagen dieser Tortur hatte sie eine Fehlgeburt.
Kelly Mason hatte sich leidenschaftlich Kinder gewünscht. Sie bekam nie welche, dafür aber mehrere Nervenzusammenbrüche. Private Nervenkliniken wurden ihr zweites Zuhause. In einer verbrachte sie ein halbes Jahr, in anderen länger. All das griff die Presse gierig auf. Indessen wurde Damian Mason reicher und reicher, bald überschritt sein Vermögen die Fünfhundert-Millionen-Pfund-Marke. Als kaum mehr damit zu rechnen war, dass Kelly jemals aus ihrem Luxusknast für unheilbar Geisteskranke herauskommen würde, ließ sich Mason von ihr scheiden. Letztes Jahr hat er wieder geheiratet, seine zweite Frau hat gerade ein Baby bekommen. Ich gebe gern zu, dass dies alles nicht Ivors Schuld war, aber ohne seine Idee für Hebe Furnals Geburtstagsgeschenk wäre es wohl nicht so weit gekommen.
Als ich wieder ins Wohnzimmer kam, saßen Bruder und Schwester noch am gleichen Fleck, aber Iris hatte inzwischen ein Glas Wasser vor sich und Ivor den üblichen Gin Tonic. Dabei fiel mir etwas ein.
»Schönen Dank für den Champagner«, sagte ich.
Er lachte. »Du denkst wohl, der sollte eine Anerkennung dafür sein, dass ihr mir euer Haus überlassen habt? Hätte sich wohl so gehört. Hab ihn nur dort vergessen. Trotzdem – gern geschehen.«
Ich legte Nadine auf dem Fußboden auf eine Decke und sah zu, wie sie strampelte, herumkugelte und lachte.
»Ist sie nicht süß?«, sagte Iris zu ihrem Bruder.
»Sehr.« Das klang ehrlich. »Ich bin stolz, ihr Onkel zu sein.«
»Würde es dir wirklich schaden, wenn die ganze Sache in die Zeitung käme? Es war schließlich nicht deine Schuld. Wenn überhaupt, wäre die doch eher bei Dermot Lynch zu suchen.«
Ich weiß nicht, ob es die Erwähnung der Presse oder Dermot Lynchs war – jedenfalls legte sich ein Schatten über sein Gesicht. Der jugendlich-sorglose Ausdruck, mit dem er vor einer Stunde bei uns angekommen war, hatte sich verflüchtigt.
»Wirklich schaden? Wie man’s nimmt. Der Lady …“ – Ivor nannte Margaret Thatcher nie anders – „… würde es nicht behagen. Angenommen, ich könnte mit einer Beförderung rechnen, würde ich die nicht bekommen, oder sie würde sich zumindest verzögern. Wenn das mit den Handschellen und dem Knebel an die Öffentlichkeit käme, stünde ich wie ein Perverser da.« Der unbeschwerte Ton, um den er sich bemühte, gelang nicht recht. »Da hätten wir das kleine Problem, dass ich nicht zur Polizei gegangen bin, als die Medien in dem Fall eine richtige Entführung sahen, und das vielleicht größere Problem, dass ich mich nicht gemeldet habe, als sie diese Kelly Mason für das eigentliche Opfer hielten. Aber ich glaube, für mich ist die Sache vom Tisch, nachdem sich das Interesse auf die Masons verlagert hat. Selbst wenn Dermot wieder zu sich kommt und redet – was ziemlich unwahrscheinlich ist –, würde ihm so schnell niemand glauben.«
Ich hielt mich wohlweislich heraus.
»Aber sie würden mit dir sprechen wollen, nicht?«, sagte Iris. »Sie würden fragen, ob es eine Verbindung zwischen dir und den Masons und vielleicht zwischen dir und Hebe gab.«
Das hatte er sich natürlich auch schon überlegt, aber dass Iris ihn daran erinnerte, war ihm sichtlich nicht recht. »Mag ja sein. Aber das von mir und Hebe weiß keiner außer euch.«
»Bestimmt nicht?«
Eine Person wusste
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