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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
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Gang geraten, wurden Hypothesen aufgestellt, Vorgehensweisen besprochen und Komplotte geschmiedet. Dermot war wieder bei Bewusstsein und hatte, benommen und verwirrt, wie er war, einen bisher unberücksichtigten Namen gemurmelt, etwas von einem Spiel, einem Scherz angedeutet. Eben jetzt saß Dermots Mutter bei der Polizei mit Enthüllungen, die Ivor schweren Schaden zufügen würden. Und dann gab es als unbekannte Größe ja auch noch Lloyd Freemans Freundin. Mit die letzten Bilder im Fernsehen waren die von Lloyds Bestattung und den Kränzen und Kreuzen aus Frühlingsblumen gewesen. An der Trauerfeier hatte auch eine Frau teilgenommen, jung, soweit man das sehen konnte, denn ein schwarzer Schleier verhüllte Kopf und Gesicht. Auch die Zeitungen hatten das Bild abgedruckt. Ivor ließ der Gedanke nicht los, dass diese Frau Lloyds Freundin war und dass der Schauspieler ihr, ehe er an jenem Abend seine letzte Fahrt antrat, womöglich alles erzählt hatte.
    All diese Schreckensvorstellungen vertraute er Iris eines Vormittags am Telefon an und bat sie um Hilfe. Ich war auf ein paar Tage nach Manchester gefahren, um mich der Probleme einer dort ansässigen Versicherungsfirma anzunehmen. Wäre ich zu Hause gewesen, hätte sie wohl seiner Bitte nicht entsprochen, auf jeden Fall hätte ich versucht, sie davon abzubringen. So aber rief sie Philomena Lynch an, sagte, sie sei von einer Lokalzeitung und wolle sich nach ihrem Sohn Dermot erkundigen, der, soviel sie wisse, noch im Krankenhaus liege.
    Sie erzählte es mir, als ich wieder zurück war. Das Telefongespräch zu führen sei schon schlimm genug gewesen, aber es mir zu verheimlichen wäre noch schlimmer.
    »Ivor war in einem schrecklichen Zustand, Rob, außer sich vor Angst. Jeden Augenblick rechnet er damit, dass die Polizei ins Unterhaus kommt, um ihn zu schnappen.«
    »Und was hat diese Mrs. Lynch gesagt?«
    »Dass Dermot noch nicht wieder bei Bewusstsein ist, aber das Krankenhaus gemeint hat, sie solle die Hoffnung nicht aufgeben, man habe schon schwerere Fälle gehabt, in denen der Patient durchgekommen und wieder gesund geworden sei.«
    »Verrat mir eins«, sagte ich. »Für welche Zeitung hast du angeblich gearbeitet?«
    »Den Paddington Express. Hab ich erfunden und war ganz stolz darauf.«
    »Hört sich an wie ein Eisenbahnzug«, sagte ich, und sie lachte, aber es war ein beklommenes Lachen.
    Ein Lokalblatt, das Paddington Express hieß, gab es tatsächlich, aber ob man dort jemals von Iris’ Betrug erfahren hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Die Ergebnisse des Anrufes beruhigten Ivor etwas. Seine schlimmsten Befürchtungen – die paranoiden Ängste vor einem im Untergrund arbeitenden Räderwerk und einer Polizei, die in aller Stille den günstigsten Zeitpunkt zum Zuschlagen abwartete – waren demnach unbegründet. Iris schämte sich. Sie habe kurz nach dem Anruf versucht, sich an Philomenas Stelle zu versetzen, sagte sie, und sich gefragt, wie ihr wohl zumute wäre, wenn Nadine im Krankenhaus läge und jemand sich unter falscher Flagge nach ihrem Befinden erkundigte.
    Etwa drei Wochen später, Ende Juni, war Ivor gegen neun allein in seiner Wohnung der Old Pye Street, als das Telefon läutete. Er hatte, wenn er sich meldete, immer noch die Angst, es könnte Jane Atherton oder Gerry Furnal oder die Polizei sein (ganz zu schweigen von Lloyd Freemans Freundin oder einem Mitglied der Familie Lynch), und meldete sich neuerdings immer mit einem schroffen »Ja?«.
    Es war keiner der gefürchteten Anrufer, sondern ein Berater der Premierministerin in Downing Street Number Ten. Die Premierministerin würde ihn gern am nächsten Morgen um acht Uhr dreißig bei sich sehen. Ivors Paranoia war noch nicht so weit fortgeschritten, dass er glaubte, Mrs. Thatcher wolle ihn kaltstellen, weil sie die Sache mit dem Geburtstagsgeschenk erfahren hatte. Er wusste, was dieser Anruf bedeutete. Man erwartete eine kleinere Kabinettsumbildung, und dies war die ersehnte Beförderung. Am nächsten Tag um acht Uhr fünfundvierzig würde er Staatssekretär in einem Ministerium sein – die nächste Sprosse auf der Leiter zur Macht.

8
    Hebe hat sich immer große Mühe gegeben, korrekt zu sprechen, aber wenn sie nicht aufpasste, schlug die Newcastle-Mundart immer noch durch. Trotzdem hätte ich nie gedacht, dass ihre Eltern derart provinziell sind, aber was will man schon von Leuten erwarten, die ihre Tochter Hilda nennen? Deshalb hat sie sich ja dann auch umbenannt und hatte schon viele

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