Das Geburtstagsgeschenk
Jahre keinen Kontakt mehr zu ihnen gehabt. Zur Beerdigung kamen sie »runter«, wie sie sich ausdrückten, während Mummy behauptet, dass man, wo immer man wohnt, nach London »rauf« fährt, und brachten eine Tante von Hebe mit, die wie eine Putzfrau aussah. Dann waren noch viele Freundinnen von Hebe da, die ich nie gesehen hatte und von denen manche sehr unpassend angezogen waren. Zur Beerdigung kommt man nicht in Knallrot und in Röcken, die fünf Zentimeter über dem Knie aufhören. Natürlich war auch Gerrys Mutter da, die alle vollquatschte und nur so lange den Mund hielt, wie der Pfarrer am Zug war.
Ich hatte versprochen, mich am Montag noch mal in der Irving Road sehen zu lassen, das gehörte sich ja wohl so, aber als ich hinkam, saß eine wildfremde Person in der Küche, trank Kaffee und hatte Justin Frühstück gemacht, das heißt, keine ganz wildfremde Person, sondern die Frau in dem roten Minirock, die ich auf Hebes Beerdigung gesehen hatte. Gerry war auf dem Sprung zur Arbeit. Er machte uns miteinander bekannt, das ist Grania, sagte er, und ob ich seine Nachricht auf dem Anrufbeantworter nicht gehört hätte. Bei mir spricht so selten jemand was auf das Ding, dass ich es meist gar nicht abhöre. Man hätte ihm so viel Hilfe angeboten, sagte Gerry, dass diese und nächste Woche täglich jemand im Haus sei. Armer Justin, dachte ich, jeden Tag eine Neue, aber ich hielt den Mund und ging zu Justin, um ihm einen Kuss zu geben. Er drehte mit einem Ruck den Kopf in die andere Richtung und lehnte sich in seinem Kinderstühlchen so weit von mir weg, dass er fast rausgefallen wäre.
Ich hatte extra eine Woche von meinem Urlaub genommen, aber das behielt ich für mich. Bei der Beerdigung hatte Gerry mich gefragt, ob ich ihm einen Riesengefallen tun und Hebes Sachen aussortieren und zu Oxfam bringen würde. Vielleicht könnte ich auch ihren Schmuck entsorgen. Sie war mit ihrem Ehering begraben worden, aber den Verlobungsring wollte er gern behalten und noch zwei Stücke, die er ihr geschenkt hatte, ein Medaillon mit einem Bild von Justin und einen goldenen Armreif. Das hatte ich ihm zwar versprochen, aber dafür, dass ich mir extra seinetwegen Umstände gemacht hatte, hätte er mich gern ein bisschen netter behandeln können, fand ich.
»Heute kann ich nicht«, sagte ich. »So eilig ist es ja wohl auch nicht.« Wenn du dir einen Mann angeln oder ihn halten willst, musst du dich rarmachen, hat Hebe immer gesagt. »Am Donnerstag kann ich noch mal kommen, da hab ich Zeit.«
Das war Granias Stichwort. Sie gab mir eine Tasse Kaffee und sagte, das könne sie doch machen, dann hätte sie eine Beschäftigung. Ich wollte ihr schon sagen, sie werde im Haus genug zu tun haben, ohne Klamotten zu sortieren – ich habe den Verdacht, sie ist scharf auf Kleider, auch wenn es nicht ihre eigenen sind –, aber Gerry kam mir zuvor und sagte, Justin werde sie schon in Atem halten. »Das überlass nur Jane«, sagte er, und dann fuhr er los.
Als die Haustür hinter ihm zugeschlagen war, sagte Grania: »Schön, dass ich mal mit dir reden kann.«
Ich trank kommentarlos meinen Kaffee. Justin wollte nicht mehr in seinem Kinderstühlchen bleiben, aber er streckte die Arme nach Grania aus und nicht nach mir. Sie hob ihn raus und schickte ihn spielen.
»Worüber willst du denn reden?«, fragte ich schließlich.
Und dann kam es: »Wusstest du, dass Hebe ein Verhältnis hatte?«
Demnach war ich nicht Hebes einzige Vertraute gewesen. Ich saß ganz still und sagte nichts.
Grania betrachtete mich mit schief gelegtem Kopf. Sie ist groß und dünn, um die dreißig und hat langes dunkles Haar. Ihre Jeans waren sehr eng und ihre Absätze sehr hoch, es sah aus, als könnte sie Probleme kriegen, wenn sie sich bückte, um Justin hochzuheben.
»Ich habe ein paarmal abends angerufen, da war sie nicht zu Hause, und Gerry hat gesagt, dass sie mit dir unterwegs war. Dreimal hab ich angerufen, und immer hat er dasselbe gesagt. Eigentlich komisch, hab ich gedacht, dass Hebe abends mit einer Frau ausgeht. Sie hätte sich doch tagsüber oder am Wochenende mit dir treffen können, nicht?«
»Was willst du hören, Grania?«
»Jetzt zier dich doch nicht so!« Sie setzte eine beleidigte Miene auf. »Ich habe sie gefragt. Da hat sie gesagt, dass er ein hohes Tier ist, irgendwas bei der Regierung, und irgendwann würden es alle erfahren, aber erst mal solle ich noch den Mund halten.«
Davon wüsste ich nichts, sagte ich und ging nach Justin sehen. Aber
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