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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
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eine oder andere aus dem sechzehnten Jahrhundert ansehen wolle, wäre es kein Problem, mir ›Zutritt zu gewähren‹.
    Die einmonatige Kündigungsfrist endete ausgerechnet eine Woche vor Weihnachten. Sie wollten mir den ganzen Monat bezahlen, aber wenn ich schon Ende der Woche gehen würde, wäre ihnen das recht. Nachdem ich den ersten Schock überwunden hatte, war meine größte Sorge, wie ich die Hypothekenraten aufbringen sollte. Ich würde mir einen neuen Job suchen müssen, aber wo? Firmen oder Kommunalverwaltungen mit angeschlossener Bibliothek bitten uns Arbeitslose nicht gerade auf den Knien, bei ihnen anzufangen. An meinem letzten Arbeitstag notierte ich mir schon mal die Angebote im Stellenteil von fünf Zeitungen und schickte zehn Bewerbungen los, von denen acht von vornherein ziemlich aussichtslos waren.
    Anruf von Mummy. Als sie hörte, was los war, hatte sie als einzige Lösung den Vorschlag zu bieten, ich solle die Wohnung aufgeben und zu ihr nach Ongar ziehen. Ongar ist ein ganz hübscher, eher dörflicher Vorort mit einer privaten Bahnlinie, die in Epping anfängt. Natürlich gibt es in Ongar keine Jobs, keinen Bus, der irgendwohin fährt, wo man vielleicht gern mal hin möchte, und abends ist dort tote Hose. Als mein Vater vor zwei Jahren starb, hat er alles meiner Mutter vermacht, das Haus, die Wohnung an der Costa del Sol und eine Menge Geld. Dreihunderttausend Pfund, das ist aus meiner Sicht eine Menge. Für mich fiel nichts ab. Bei meinem Glück hätte mich das auch gewundert. Er hat sich wohl gedacht, ich müsste auch so zurechtkommen. Ich war jung, ich hatte Arbeit, eine eigene Wohnung. Manchmal denke ich mir, dass es Mummy nicht weh getan hätte, mir sagen wir mal fünfzigtausend davon zu geben, aber ich glaube, auf so eine Idee wäre sie nicht im Traum gekommen.
    Über dem Elend mit der Kündigung waren mir die Perlen ganz entfallen. Ich fand sie nur, weil ich vergessen hatte, wie man die Uhr an der Mikrowelle stellt, und die Gebrauchsanweisung mit in dem Schubfach lag. Als ich mit der Uhr fertig war, machte ich das Etui auf, betrachtete die Perlen und überlegte, wie viel sie wohl wert sein mochten. Schon fünftausend wären in meiner Lage ein Geschenk des Himmels, wäre es viermal so viel, könnte ich meine Hypothek damit tilgen. Sollte ich zu Asprey’s gehen und mich erkundigen? Ich könnte Ivor Teshams Namen und Telefonnummer angeben und sagen, sie sollten bei ihm rückfragen. Aber ich konnte mich nicht darauf verlassen, dass er bestätigen würde, er hätte sie mir geschenkt – oder nur, falls er glaubte, ich wüsste zu viel über den Abend, als Hebe und der eine Mann starben und der Fahrer schwer verletzt wurde. Am Ende ließ ich es doch lieber sein.
    In der Irving Road war ich schon einen Monat nicht mehr gewesen. Angerufen hatte ich dreimal. Beim ersten Mal meldete sich eine Frau – weder Grania noch Lucy –, die ihren Namen nicht nannte. Das zweite Mal versuchte ich es später am Abend, um Gerry selbst zu erreichen. Er schien ziemlich erledigt zu sein. Justin war sehr schwierig, erzählte er, und hatte aufgehört zu sprechen, und wenn er ihn nachts mit in sein Bett nahm, zappelte der Junge herum und schlief nicht ein, so dass auch Gerry kein Auge zutun konnte. Er würde eine Kinderfrau nehmen müssen, auch wenn er sich das eigentlich nicht leisten könne. Er habe eine Anzeige aufgegeben, aber die beiden Frauen, die sich vorgestellt hätten, seien völlig ungeeignet. Das Mädchen, das sich neulich gemeldet habe, als ich anrief, heiße Emily und sei eine Freundin von Grania, aber sie sei nur eine Übergangslösung bis zum Anfang des neuen Semesters. Ob ich ihm irgendwie helfen könne, fragte ich, aber er sagte ziemlich kurz angebunden, wie ich fand, Hilfskräfte könne er genug bekommen, nur seien es eben immer wieder andere. Beim nächsten Mal bot ich es ihm wieder an, da sagte er ganz schnell, er könne sich nicht aufhalten, er sei auf dem Sprung, seine Mutter sei zum Babysitten gekommen, das Taxi warte schon. Nein, er brauche mich nicht, vielen Dank. Seine Mutter kümmere sich ganz rührend.
    Natürlich habe ich mich gefragt, wohin er in einem Taxi wollte. Erstaunlich, dass er sich Taxis leisten kann, aber vielleicht war inzwischen die Beförderung samt Gehaltserhöhung durch, von der Hebe mir erzählt hatte. Da sieht man mal wieder, wie ungerecht das Leben doch ist. Ich, eine Frau ohne Freunde und praktisch mittellos, habe die Kündigung gekriegt, und Gerry Furnal, der Justin

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