Das Geburtstagsgeschenk
hat und ein Haus und eine ganze Meute hilfsbereiter Freundinnen, fällt die Treppe hoch und kriegt mehr Geld. Und gondelt abends um acht per Taxi zu einem Rendezvous. Hatte er denn wirklich schon Ersatz für Hebe gefunden, obwohl die noch nicht mal ein Jahr tot war? Mit mir hätte er sich treffen sollen, ich passte zu ihm, mich kannte er seit Jahren, ich war die Freundin seiner toten Frau.
Kümmerte es ihn überhaupt nicht, dass Justin die Sprache verloren hatte? Angeblich passiert das Kindern, die traumatisiert sind, durch den Verlust eines Elternteils oder eines Bruders oder einer Schwester zum Beispiel, aber Gerry scheint das auf die leichte Schulter zu nehmen und überlässt seinen kleinen Jungen ständig wechselnden dummen Gänsen, die nichts anderes im Kopf haben als ihr Aussehen und Männer und Sex.
Den Koffer mit dem ausgeflippten Zeug von Hebe hatte ich hinter die Schlafcouch gestellt. An dem Abend sah ich zum ersten Mal wieder hinein und stellte mir vor, dass Hebe mit den Stiefeln und in einem Korsett und sonst nichts auf einem Bett lag und über ihr Ivor Tesham, und wieder überkam mich diese komische Aufregung. Ob ich Gerry die Sachen zeigen soll? Ich hätte sie ihm gleich zeigen sollen, als ich beim Aussortieren war. Wenn er das Zeug aus dem Koffer und die Perlen sieht, wenn ich ihm sage, dass die Perlen nicht aus dem Kaufhaus, sondern ein sehr wertvolles Geschenk waren, wird er kapieren, was für eine Hebe in Wirklichkeit war, und wird froh sein, dass er sie los ist.
Über Weihnachten kam wie üblich alles zum Stillstand. Die Post brachte keine Briefe, bloß Weihnachtskarten, also auch keine Antworten auf meine Bewerbungen. Ich fuhr nach Ongar, um mit Mummy zu »feiern«, wie sie das nennt. Ob wir nicht stattdessen nach Spanien fliegen könnten, in ihre Wohnung, hatte ich gefragt, zumindest würde dort die Sonne scheinen. Sie wolle das Haus verkaufen, sagte sie, der Unterhalt sei zu teuer geworden, und sie habe schon ein Angebot, Spanien könne ich mir aus dem Kopf schlagen. Weihnachten in Ongar ist immer furchtbar, aber diesmal war es noch schlimmer, weil sie alle paar Minuten fragte, was denn nur aus mir werden solle, und ebenso oft gleich die Antwort parat hatte: Ich solle zu ihr ziehen, und sie würde in dem Haus was für mich umbauen lassen. Als Weihnachtsgeschenk habe ich von ihr ein Twinset bekommen, dabei habe ich gedacht, dass dieses Teil (eigentlich sind es ja zwei Teile) seit dreißig Jahren aus der Mode ist. Das Twinset ist lila, und ein größerer Gegensatz zu Hebes abartigen Klamotten ist überhaupt nicht vorstellbar. Ich nahm fünf Pfund Fleisch von dem größten Truthahn mit nach London, den zwei Leute jemals zusammen verzehrt haben. Immerhin brauche ich jetzt eine Weile für Essen kein Geld mehr auszugeben.
Auf meine Bewerbungen waren sieben Antworten gekommen, sechs Absagen und eine Einladung zum Vorstellungsgespräch, nicht als Bibliothekarin, sondern als Direktionsassistentin in einem kleinen Museum in der City, »mit der Aussicht, bei herausragenden Leistungen zur stellvertretenden Kuratorin aufzusteigen«. Vorstellungsgespräche waren noch nie meine Stärke. Auf persönliche Fragen – und die bleiben ja nicht aus – reagiere ich, wie man mir sagt, nervös und abwehrend. Der Termin war am Donnerstag der folgenden Woche, und als Mummy abends anrief, erzählte ich ihr davon.
»Wenn du die Stelle bekommst«, sagte sie, »wäre es doch ganz praktisch, wenn du bei mir wohnen würdest. Wo in der City ist das Museum, sagtest du?«
Ich hatte kein Wort davon gesagt. »Bishopsgate.«
»Bestens. Dann ziehst du zu mir und nimmst die Central Line von Epping nach Liverpool Street, das dauert nur knapp eine Stunde.«
Ganz zu schweigen von der halben Stunde, die man auf den Zug warten muss.
»Wenn ich die Stelle kriege«, sagte ich, »kann ich auch hier wohnen bleiben. Oder zu Callum ziehen.«
Erwartungsgemäß erregte das ihr Missfallen. »Wenn du das machst«, sagte sie, »brauchst du nicht zu hoffen, dass er dich jemals heiratet.«
Das führte zu einem erbitterten Schlagabtausch. Alle verheirateten Paare aus meiner Bekanntschaft hätten vor der Ehe zusammengewohnt, sagte ich, und sie: »Schöne Bekannte scheinst du zu haben …“ Und dann fing sie wieder von dem »schönen Heim« an, das sie mir bieten wollte, und ich fragte mich ernsthaft, ob ich nicht ganz bei Trost war, mich wegen eines Typen mit ihr zu streiten, den es gar nicht gab.
»Du könntest das ganze Obergeschoss
Weitere Kostenlose Bücher