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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
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haben«, sagte sie. »Ich habe dir immer gesagt, dass mich das Geld für den Umbau nicht reut.«
    Aber es mir stattdessen zu geben – das würde dich reuen, dachte ich. An dem Abend war ich drauf und dran, am nächsten Tag mit den Perlen zu einem Juwelier zu gehen. Nachdem mich der Gedanke an mein trauriges Schicksal – wer würde mich finden, wenn ich plötzlich starb? –, an das Geld, das ich nicht hatte, an die Hypothekenrate und das Vorstellungsgespräch stundenlang wach gehalten hatte, schlief ich um vier ein, und als ich aufwachte, war mein erster Gedanke, ob der Juwelier nicht Asprey’s, sondern die Polizei verständigen würde. Irgendwo meinte ich gelesen zu haben, dass Juweliere das bei dem Verdacht, dass es sich um gestohlenen Schmuck handelt, so machen – und letztlich war es ja wirklich gestohlener Schmuck. Also ließ ich es sein.
    Mit der Stelle war es nichts. Das Vorstellungsgespräch führte eine Frau. Sie war Hebe überhaupt nicht ähnlich, aber als ich sie sah, musste ich sofort an Hebe denken. Ihr Rock reichte knapp bis zu den Knien, sie trug Stiefel mit hohen Absätzen und ein tief ausgeschnittenes Top. Das dunkle Haar reichte ihr lang auf den Rücken hinunter. Natürlich wollte sie wissen, warum ich meinen Job bei der Library of British History aufgegeben hätte, und als ich ihr wahrheitsgemäß sagte, sie hätten mir gekündigt, notierte sie das auf dem Blatt Papier, das sie vor sich liegen hatte. Dass mich Kinderkleidung des 18. und 19. Jahrhunderts brennend interessierte, konnte ich nicht sagen, weil ich davon keine Ahnung habe, versicherte aber so überzeugend wie möglich, dass ich schnell lerne. Sie warf mir einen skeptischen Blick zu und musterte mich von oben bis unten.
    Ich hatte mir noch die Haare waschen wollen, aber die Zeit hatte nicht gereicht, und ich hatte lieber keine Strumpfhosen angezogen als die mit den Laufmaschen über dem Schritt. Der Saum meiner braunen Hose würde meine nackten Beine bedecken, hatte ich gedacht, aber das klappte nicht ganz. Sie sagte nichts dazu, aber das war auch nicht nötig. Nachdem ich gestehen musste, dass ich noch nie am Computer gearbeitet hatte, aber auch das lernen könne, bedankte sie sich für mein Kommen. Ich würde von ihnen hören. Zwei Tage später kam die Absage mit geheucheltem Bedauern und schäbigen Ausreden.
    Bestimmt hat mich mein unbefriedigendes Äußeres den Job gekostet. Aber müssten nicht im täglichen Leben Ehrlichkeit und feste Grundsätze das Wichtigste sein? Es bringt mich auf die Palme, dass Äußerlichkeiten – besonders bei Frauen – im 21. Jahrhundert immer wichtiger werden. Hätte es womöglich mit dem Job geklappt, wenn ich mit gebleichtem Haar und Lippenstift und in Hebes ausgeflipptem Zeug – zumindest den Stiefeln – angetanzt wäre? Dann hätte es für die Frau keine Rolle gespielt, dass ich mich mit dem Computer nicht auskenne und nicht weiß, wann Kinder Pantalons getragen haben.
    Nachmittags machte ich den Koffer auf und probierte die Stiefel an. Sie passten wie angegossen und machten mich um etliche Zentimeter größer. Ich überwand meine Hemmungen und trug sie auf dem Weg zum Schreibwarenladen, und ein Bauarbeiter pfiff mir hinterher. Zu Hause legte ich mir das Hundehalsband um und stellte mir vor, Callum käme zur Tür herein, aber dann musste ich aufhören, das Gefühl, das mich überkam, war mir nicht geheuer. Mein ganzer Körper pochte und hämmerte.
    Zurück zur traurigen Wirklichkeit. Im Evening Standard waren ein paar Angebote für Tätigkeiten, die ich mir zutraute, und ich zwang mich, zwei Bewerbungen abzuschicken. Doch die Perlen in der Schublade ließen mich nicht los. Sie waren so viel wert – aber ich konnte nichts mit ihnen anfangen. Und wenn es für einen Juwelier so aussah, als wenn ich sie gestohlen hätte – würden das dann nicht alle so sehen? Und wusste ich im Grunde nicht ganz genau, dass ich sie gestohlen hatte? Gerry hatte mich gebeten, Hebes Schmuck wegzubringen und ihm nur die wertvollen Stücke zu lassen. Er hatte nicht gewusst, dass die Perlen wertvoll sind, aber hätte er es gewusst, hätte er sie bestimmt zu dem Verlobungsring und dem Medaillon und dem Armreif gelegt. Dann fiel mir etwas ein.
    Ich könnte sie zurückbringen und Gerry fragen, ob ich sie behalten dürfe. Vielleicht hatte er den anderen, dieser Grania und Lucy und Emily, gesagt, sie sollten sich ein Andenken aussuchen. Mir hatte er das nicht angeboten, das könnte ich ihm sagen und ihn um die Perlen

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