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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
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besprochen haben. Ich weiß nur das, was Ivor mir erzählt hat. Ich habe ihr Treffen nach dem, was ich von ihm erfahren habe, nach meiner Kenntnis von ihm (und später von Juliet) rekonstruiert und glaube, dass ich es nicht schlecht getroffen habe. Immerhin kannte ich Ivor ziemlich gut.
    Er hatte gar nicht mehr daran gedacht, dass sie ihn schon einmal gesehen hatte, und war überrascht, dass sie ihn sofort erkannte. Er hatte das Restaurant gerade erst betreten und der für die Tischreservierungen zuständigen Bedienung seinen Namen genannt, als Juliet auf ihn zukam und ihm die Hand hinstreckte. »Juliet Case«, sagte sie.
    Dann fiel es ihm ein, aber er sagte nichts über ihre erste Begegnung, er war vollauf damit beschäftigt, Juliet zu bewundern. Wie er sie je als »füllig« habe bezeichnen können, sei ihm jetzt schleierhaft, sagte er. Sie hatte eine perfekte Figur, eine Stundenglasfigur. Das schlichte schwarze Kleid, wadenlang, aber atemberaubend tief ausgeschnitten, war ideal für sie. Die Fesseln, die ihm so positiv aufgefallen waren, als er ihr quer durch London gefolgt war, wirkten an diesem Abend noch graziler. Aus diesen Fesseln, sagte er, könne er ohne weiteres einen Fetisch machen, und da ich genug über Ivor und seine Fetische wusste, glaubte ich ihm das aufs Wort. Das volle schwarze Haar hatte sie hochgesteckt, sich aber nur sehr zurückhaltend und die schönen dunklen Augen gar nicht geschminkt, und außer Perlensteckern in den Ohren trug sie keinen Schmuck.
    Beim Anblick der Ohrstecker fielen ihm die Perlen ein, die er Hebe geschenkt hatte, eine großzügige Geste, die er jetzt bereute. Juliet bat um einen Dry Martini, und Ivor bestellte sich auch einen, obwohl alle, die ihn kannten, genau wussten, dass er Dry Martini nur in New York, im Oak Room des heute nicht mehr existierenden Hotel Plaza, zu trinken pflegte. Er war gekommen, um einen Scheck über tausend Pfund zu überreichen, doch nun, als er ihr gegenübersaß, dachte er an nichts als ihre Reize. Sie hatten über Aaron Hunter, Juliets Ex, gesprochen. Angefangen hatte Juliet, die fragte, ob Ivor ihm in jener Fernsehsendung, in der sie beide aufgetreten waren – welch erstaunlicher Zufall, nicht? –, persönlich begegnet sei. Ob Ivor ihn in O’Neills Anna Christie gesehen habe, wollte sie dann wissen. Ivor verneinte und musste sich zusammennehmen, um ihr nicht anzubieten, sich das Stück mit ihm zusammen anzusehen, er durfte nichts überstürzen, das wäre verfrüht gewesen. Zuerst musste er die Sache mit dem Geld erledigen, ebenso die heikle Frage nach Dermot Lynch. Sie war so zugänglich, so charmant, so voller Liebreiz, dass er schon fürchtete, er würde es nicht schaffen, aber als Minister war er es gewöhnt, auch schwierige und peinliche Dinge zu erledigen. Er nahm den Umschlag mit dem Scheck aus der Tasche.
    »Das wollte ich Ihnen geben. Das Geld, das ich Lloyd schulde.«
    Er hatte gehofft, sie würde den Umschlag nicht gleich öffnen, aber sie tat es, warf einen Blick auf den Scheck, sah Ivor an und sagte langsam: »Aber Sie schulden ihm nur ein Viertel davon.«
    Sie wusste also, dass Lloyd in der Unfallnacht in seinem Auftrag tätig gewesen war. Zweihundertfünfzig Pfund hatte Lloyd nach der gespielten Entführung noch bekommen sollen. Ivor sah wieder vor sich, wie er nach dem vergeblichen Warten auf Hebe die beiden Umschläge von unserem Dielentisch genommen hatte. Einen Augenblick wusste er nicht, was er sagen sollte. Wenn sie das von dem Geld wusste – was wusste sie noch? Und dann bestätigte sie leise und mit einem leichten Lächeln seine Befürchtungen.
    »Lloyd hat mir erzählt, wofür Sie ihn bezahlen wollten. Es klang unkompliziert, und das wäre es auch gewesen, wenn Dermot nicht am Steuer gesessen hätte. Lloyd und ich waren nach wie vor befreundet, aber wir hatten uns getrennt, wir empfanden nicht mehr genug füreinander. Damit will ich nicht sagen, dass ich ihn nie geliebt hätte oder dass ich nicht traurig gewesen wäre, als er starb, aber ich kann nicht behaupten, dass ich untröstlich war.«
    Begreiflicherweise interessierte das Ivor nur insoweit, als es ihn betraf. »Sie wissen alles über diesen Abend? Dass die beiden Hebe zu mir bringen sollten?“
    »Ja.«
    »Und dass sie den Auftrag hatten, Hebe Furnal mitzunehmen und nicht Kelly Mason?«
    »Ja. Sie werden mich fragen, warum ich nicht zur Polizei gegangen bin.«
    »Das könnten umgekehrt auch Sie mich fragen.«
    »Wäre Lloyd verletzt gewesen und Dermot tot,

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