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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
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oft: »Du weißt schon, was ich meine.«
    Dass Gerry mich eigentlich gar nicht haben wollte – und schon gar nicht in seinem Haus –, war unverkennbar. Aber er brauchte eine Kinderfrau für Justin, und Justin, der mit Grania und Lucy und Emily und der Namenlosen, die Wendy hieß, wie sich herausstellte, nichts im Sinn gehabt hatte, mochte mich jetzt offenbar. Nach Gerry war ich ihm die Liebste. Das war in mehr als einer Beziehung ein Punkt zu meinen Gunsten. Wenn du heiratest, ist es dir doch bestimmt wichtig, dass deine Zukünftige dein Kind gut leiden kann.
    Die Sache mit meiner Wohnung kriegte ich relativ schnell geregelt. Wenige Tage nach Erscheinen der Anzeige war eine Mieterin gefunden, eine gewisse Pandora Flint. Sie ist etwa in meinem Alter und war die Vierte, die ich mir angesehen hatte. Die drei anderen hatten alle etwas zu meckern gehabt, zwei fanden, dass die Wohnung für die Miete, die ich verlangte, zu klein war, die Dritte wollte, dass ich meine Möbel ausräumte, damit sie ihre mitbringen konnte, aber Pandora war begeistert von der Wohnung und sofort einverstanden, als ich eine Kaution und zwei Monate Miete im Voraus verlangte. Wir einigten uns mühelos auf einen Mietvertrag über ein Jahr mit einer Option auf Verlängerung. Der einzige Haken war, dass sie mir auf den ersten Blick unsympathisch war.
    Im Aussehen war sie Hebe ziemlich ähnlich. Solche gibt es ja öfter: groß, schlank, blond, regelmäßige Züge und lange Beine, so laufen viele herum. Im Dutzend billiger, würde meine Mutter sagen. Hebe war meine Freundin gewesen, doch Pandora mochte ich nicht. Hebe war herzlich, ja stürmisch und ausgesprochen gefühlsbetont gewesen, Pandora war kühl und distanziert, mit einer Flüsterstimme, als wäre ihre Besitzerin gerade aus einer Trance erwacht. Da sie eine gute Mieterin war, hätte mir das eigentlich egal sein können, aber leider ließ sie in anderer Beziehung sehr zu wünschen übrig.
    Ich weiß nicht, wie es woanders war, aber in dem Londoner Bezirk, in dem ich wohnte, und auch in Gerrys Bezirk gab es auf der Straße kaum Papierkörbe. Die Angst vor Anschlägen DER IRA war so groß, dass man alle Behälter, in denen sich möglicherweise Sprengstoff unterbringen ließ, entfernt und die Gepäckschließfächer auf den Bahnhöfen versiegelt hatte. Wenn ich Hebes fetischistischen Kram vor dem Umzug in die Irving Road loswerden wollte, musste ich mir etwas einfallen lassen, in mein neues Heim konnte ich dieses Zeug unmöglich mitnehmen. Ich würde die Sachen in den Müllbeutel stecken und damit zu einer der Mülltonnen gehen müssen, die vor dem gemeinsamen Hauseingang für vier Wohnungen standen. Recht war mir das nicht. Anfang Januar hatte ein Mann aus der einen Erdgeschosswohnung, ein gewisser Michael, bei mir geklingelt und mir die Tüte unter die Nase gehalten, die ich zehn Minuten vorher in einer der Tonnen entsorgt hatte. Ich erkannte sie sofort wieder.
    »Bestimmt haben Sie doch nicht mit Absicht einen Plumpudding samt Form, ein Dutzend Hackfleischpasteten und ein ungeöffnetes Geschenk in den Müll geworfen.«
    »Mit voller Absicht sogar«, sagte ich. »Vielleicht haben Sie die Freundlichkeit, die Tüte wieder dahin zu bringen, wo Sie sie hergeholt haben.«
    Wenn ich denke, wie erbost ich war, finde ich diese Reaktion ausgesprochen gemäßigt. Später sah ich in den Mülltonnen nach, und weder Tüte noch Inhalt war drin. Bestimmt hat er den Plumpudding meiner Mutter und die Hackfleischpasteten selber gegessen und das Geschenk meiner Tante an seine Freundin weitergegeben. Aber ich konnte nicht riskieren, dass so was noch mal passierte, zumal bei dem Inhalt. Hundehalsbänder mit Stacheln und Schnürstiefel und Korseletts kann man aber auch nicht zu Oxfam bringen. An dem Tag vor meinem Auszug, als ich den Wagen schon beladen hatte und startbereit war, ging ich in das nächstbeste Lederwarengeschäft in der Kilburn High Road und kaufte einen robusten Koffer mit Schloss.
    Als ich in meine Wohnung zurückkam, war der Fensterputzer da. Er kreuzt immer unangemeldet auf. Früher haben sie mit der Leiter von außen geputzt, sagt Mummy, und wer auch innen saubere Fenster haben wollte, putzte selber. Die Zeiten sind vorbei, sagte ich, heutzutage ist das eine Frage der Hygiene und der Sicherheit. Der Fensterputzer heißt Stu, wahrscheinlich also Stuart. Einen Nachnamen wird er wohl auch haben, aber den kenne ich nicht. Er ist grob und ordinär und aufdringlich, und einmal hat er mich gefragt, warum

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