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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
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zweimal getroffen. Einige Wochen nach dem Unfall sei sie, Juliet, zu Mrs. Lynch gegangen, weil die ihr leidgetan habe, und habe sie seither oft besucht, aber von dem Parlamentarier und dem Entführungsplan sei nie die Rede gewesen. Wozu auch?
    »Soll das heißen, dass Sie aus reiner Menschenfreundlichkeit hingegangen sind?«
    »Es war ja nicht weit – drei Stationen mit der U-Bahn. Sie ist eine sehr liebe, einfache Frau, die viel durchgemacht hat. Erst das Verhör von Sean wegen des Mordes an Sandy Caxton, und jetzt das mit Dermot. Er wird nie wieder ganz gesund werden.«
    Ivor fragte, wie sie das meinte.
    »Das Gehirn ist geschädigt. Er kann sich bewegen und ein bisschen sprechen, ich habe ihn gesehen, aber er wird nie wieder arbeiten können. Es war nicht Ihre Schuld, er hat eine rote Ampel übersehen. Und die Waffe mitzunehmen war seine Idee, das weiß ich von Sean, der hatte sie von einer Pauschalreise nach Polen mitgebracht, das war noch vor dem Abzug der Russen, irgendjemand hatte sie ihm für ein paar Dollar verkauft.«
    So einfach war das also. Sean Lynch hatte keinen Zugang zu einem geheimen Waffenlager DER IRA gehabt. Sein Bruder hatte sich Seans Andenken an eine Auslandsreise »geliehen«, um eine gespielte Entführung echter wirken zu lassen. Ivor konnte sich vorstellen, wie die beiden darüber gelacht hatten. Er hatte das wunderbare Gefühl, dass jetzt alles für ihn nach Wunsch lief. Es ist vorbei, dachte er und vergaß, dass er das schon einmal gedacht hatte. Natürlich blieb noch einiges für ihn zu tun. Vor allem musste er die Familie Lynch entschädigen, musste eine Möglichkeit finden, Philomena Lynch oder vielleicht ihrem Sohn, der nie mehr würde arbeiten können, eine Rente zu zahlen. Das war heikel, aber machbar. Und er brauchte meine Mahnung, einen großen Bogen um die Familie Lynch zu machen, nicht mehr zu beachten, denn er selbst und Sean Lynch hatten nichts verbrochen. Ich habe den Eindruck, dass Ivor sich erfolgreich einredete, nichts falsch gemacht zu haben, während er sich an dem berückenden Lächeln von Juliet Case erfreute, ihren Ausschnitt bewunderte und an ihre unter dem Tisch verborgenen Fesseln dachte, deren Umfang, wie er sich poetisch ausdrückte, nicht größer war als der des silbernen Serviettenringes vor ihm.
    Juliet, erklärte er (stark übertreibend, denke ich), habe sich als einzige Frau für die Einladung zum Essen bedankt. Vielleicht war ihm entfallen, dass Hebe nie dazu gekommen war, ihm zu danken, da sie nie zusammen ausgegangen waren. Er brachte Juliet im Taxi nach Hause, und sie bat ihn auf einen Drink hinein. Wie heißt es bei Shakespeare? »Unser höflicher Antonius, der keiner Frau noch jemals nein gesagt …“ Das ist Ivor, wie er leibt und lebt. Jedenfalls hatte noch keine Frau, die so attraktiv war wie Juliet Case, ihn jemals nein sagen hören. Es war schon elf, er hatte einen schweren Tag vor sich, an dem er eine wichtige Rede halten musste, aber er zögerte keinen Augenblick. Das Unvermeidliche geschah – unvermeidlich jedenfalls für Ivor. Allerdings blieb er nicht die ganze Nacht, sondern ging um zwei und konnte von Glück sagen, dass am U-Bahnhof Queen’s Park ein Taxi stand.
    Er formulierte das alles sehr diskret, aber was er meinte, war klar. Juliet Case, Lloyd Freemans Freundin, hatte bei ihrer ersten Begegnung mit ihm geschlafen.
    »Da siehst du’s«, sagte er unbekümmert. »Von diesem Abend an hatte ich wieder Glück.«
    Am nächsten Morgen schickte er ihr zwei Dutzend rote Rosen mit der unwiderstehlichen Frage, in der immer ein Unterton atemloser Dringlichkeit schwingt: Wann sehe ich Dich wieder?
    Was sie antwortete, entzieht sich meiner Kenntnis. Fest steht, dass er sie wiedergesehen hat, viele Male, und bald steckte er in einer leidenschaftlichen Affäre mit Juliet Case. Wir gerieten fast aneinander, als er sagte, es täte ihm jetzt leid, dass er die Perlen, an denen Hebe sich nicht mehr hatte freuen können, nicht behalten und sie an Juliet weiterverschenkt habe. Er sei ein kaltschnäuziger Mistkerl, sagte ich, aber er war mit sich und seiner Eroberung so zufrieden, dass er es nicht einmal übel nahm.

13
    Und das bei deiner guten Ausbildung«, sagte meine Mutter. »So was könnte doch eine Sechzehnjährige ohne Abschluss machen.«
    Ich fragte, ob es für ein Kind nicht besser sei, von einer gebildeten Person betreut zu werden als von einer, die sich nur für Popmusik und Klamotten interessierte, aber darauf antwortete sie nur, wie so

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