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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
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ich mir die Haare nicht wachsen lasse. Mit langem Haar würde ich viel besser aussehen, hat er in seiner charmanten Art gesagt.
    Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis er meine drei Fenster geputzt hatte, und dabei glotzte er mir ständig hinterher. Solange er da war, konnte ich Hebes Sachen nicht in den neuen Koffer umpacken, weil er dann das ganze Zeug gesehen und blöde Bemerkungen gemacht hätte. Ich kann mir denken, was er sagen würde, möchte es aber lieber gar nicht wissen. Also saß ich herum und tat, als ob ich las. Er wird jedes Mal teurer, wir feilschten wieder mal um den Preis, aber er gewann. Wie immer.
    »Wenn Sie wiederkommen, bin ich nicht mehr da«, sagte ich. »Dann wohnt eine andere Dame hier.«
    »Ich hör immer Dame. Da muss man wohl zehn Pfund zahlen, wenn man mit ihr sprechen will, was? Wo geht’s denn hin – an den Grosvenor Square?«
    Er habe mich nicht zum letzten Mal gesehen, sagte ich, ich hätte die Wohnung nur vorübergehend vermietet.
    »Wohnung nennen Sie das? Na, hoffentlich weiß die Dame, was für ein Loch sie bekommt.«
    Mal sehen, ob er mit Pandora genauso umspringt. Ich würde mir das am liebsten nicht gefallen lassen, aber die Verwaltung schickt ihn, da kann ich gar nichts machen. Als er weg war, trank ich einen Schluck Wein, zog mir Hebes Korselett an und die Netzstrümpfe und ein transparentes Top und stellte mich damit vor den Spiegel. Zum letzten Mal. In meinem Körper pochte und hämmerte es, und die Nässe kam nicht nur vom Schweiß. Bloß gut, dass ich das Zeug hierlasse. Ich drehte mich vom Spiegel weg, zog die Sachen aus und packte sie in den Koffer. Darüber legte ich einen blauen Flanellmorgenrock, den mir Mummy mal geschenkt hat und über den ich mich mit siebzig bestimmt freuen würde. Ich schloss den Koffer ab, tat den Schlüssel zu den Hausschlüsseln in meiner Handtasche und stellte den Koffer in den einzigen Einbauschrank der Wohnung. Er steht zwischen den Küchenschränken und der Badezimmertür und hat vier Fächer. Ich legte den Koffer flach auf den Boden ins unterste Fach und packte eine Rolle Teppichreste davor. Wenn jemand nur mal eben die Schranktür aufmacht, ist der Koffer nicht zu sehen.
     
    Nun wohne ich also in der Irving Road. Als Kindermädchen habe ich einen Tag in der Woche frei, den nehme ich auch, aber natürlich muss ich abends wieder herkommen. Ich wüsste ja auch sonst nicht, wohin. Wenn ich ausgehe, sage ich zu Gerry, dass ich mich mit Callum treffe. Sonntags habe ich theoretisch auch frei, aber ich wüsste nicht, was ich da anfangen sollte, und außerdem liegt mir gar nichts an der Freizeit. Ich will möglichst viel mit Justin zusammen sein, damit er sich an mich gewöhnt.
    An seinem dritten Geburtstag, im März, hat er seine Stimme wiedergefunden. »Justin ist drei« waren seine ersten Worte nach dem langen Schweigen. Dann sagte er: »Jane.«
    Gerry hat sich noch nie besonders für mich interessiert, aber über Callum will er alles wissen. Wovon lebt er? Sind wir verlobt? Er ist Geschäftsmann, sage ich dann, zweiunddreißig Jahre alt und hat eine eigene Wohnung am Sloane Square. Nein, wir sind nicht verlobt, noch nicht. Ob Gerry eifersüchtig ist? Dann ist er der erste und einzige Mann, den ich je habe eifersüchtig machen können. Das werde ich weiter ausbauen, werde ihm Sachen erzählen, an denen er merkt, dass ich für einen Mann begehrenswert sein kann. Er ist wieder in das Zimmer gezogen, in dem er mit Hebe geschlafen hat. Ich habe natürlich das kleinste Zimmer, die Rumpelkammer, wie Mummy sagen würde. Jedes andere Kindermädchen würde ein Zimmer mit Bad verlangen und einen Fernseher. Ich bin nicht unvernünftig, Gerry kann nicht extra für mich noch ein Badezimmer einbauen lassen, das ist mir schon klar, aber es hätte ihm oder Justin bestimmt nicht weh getan, wenn er mir Justins Zimmer überlassen und ihn in meins gesteckt hätte. Ein Dreijähriger braucht kein so großes Zimmer für sich.
    Als ich kam, ließ Gerry durchblicken, ohne es auszusprechen, dass ich mich abends, wenn Justin im Bett lag, in dieser winzigen Bude aufzuhalten hätte. Oder aber in der Küche, wie ein Dienstmädchen. Hebe hatte dort immer einen kleinen Schwarzweißfernseher stehen, der ist, wie ich festgestellt habe, noch da, auf einem der Hochregale. Als ich am ersten Tag mit meinem Buch ins Wohnzimmer kam und mich still in den Sessel ihm gegenüber setzte, war er sichtlich überrascht. »Na so was«, sagte er, als wäre ich die Letzte, die er erwartet

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